
Thüringen Vom Kinosaal ins Wohnzimmer: "Metropol" in Gera verkauft alte Sessel
Sie sind rot, samtig und tragen goldene Sitznummern: die Kinosessel im Geraer "Metropol"-Kino. 70 Einzelsessel und Doppelsitzer wechselten am Dienstag den Besitzer. Die Warteschlange war lang. Für das Kino sind neue Sessel schon bestellt.
Schon lange vor dem offiziellen Verkaufsstart hat sich eine unübersehbare Schlange im Hof des "Metropol"-Kinos in Gera gebildet. Kinoleiterin Stefanie Götze öffnet die Tür zum "Sessel-Warteraum" vorzeitig. Mit so viel Andrang hat sie nicht gerechnet. Fast 40 Leute waren auf der Suche nach ihrem Sitzmöbel-Neuzugang. Wobei neu ist relativ. Die roten Sessel mit ihren goldenen Sitznummern und schwarzen Applikationen standen seit der Wiedereröffnung des Kinos im Jahr 2014 in den Kinosälen. Und schon zuvor waren sie im Einsatz - irgendwo in Norddeutschland.

Vierzig Frauen und Männer warten im Hof des "Metropol", um Kinosessel zu kaufen.
Die meisten Kinosessel stammen aus den hinteren Sitzreihen
Jetzt sind sie verschlissen. Das Leder der Armlehnen bröckelt. In den Ritzen glitzern bislang verschollene Popcornkrümel. Unter manchem Sitz hält sich ein Kaugummi-Rest hartnäckig. Aber: Es steckt eben Kinoleben in den roten Polstern, wahrscheinlich manche Erinnerung. Denn die meisten Sessel stammen aus den beliebten hinteren Sitzreihen, verrät Kinoleiterin Stefanie Götze.
Seit 1992 in Gera ins Kino gegangen
Und die neuen Besitzer sind wirklich fast alle Kinofans. Die einen wollen sich das eigene Heimkino aufbauen, bezeichnen sich als Filmfreak. Bei anderen, wie bei Tim, soll das Kinositzmöbel ins Wohnzimmer. Er sieht es als Hingucker und Erinnerung: Er sei seit 1992 in Gera ins Kino gegangen und damit seien Sessel und Kino auch ein Stück Geschichte, erzählt er. Ansonsten werden die Sitze im Jugendzimmer die alte Couch ersetzen, im Garten zur überdachten Sitzecke oder die Ateliereinrichtung für die Tochter.

Die gekauften Kinosessel werden von ihren neuen Besitzern in Autos und Transporter verladen.
Einsitzer und Kuschelbänke im Angebot
Manche suchten lange nach dem perfekten Sessel-Partner. Die Sitznummer spielte nur bei einem jungen Pärchen eine Rolle. Ihre Glückszahl 7 sollte unbedingt dabei sein. Und es klappte. Ansonsten wurden fachmännisch die Polster geprüft, Armlehnen und Getränkehalter dazu gesucht. Alles war inklusive beim Spendenpreis: 30 Euro für den Einsitzer, 50 Euro für die Kuschelbank.
Im größten Saal werden Bodenbeläge entfernt
Völlig unbeeindruckt vom Sessel-Gewimmel wurde eine Etage darüber gearbeitet. Im größten Kinosaal entfernen Handwerker die Bodenbeläge, schleifen die Stufenpodeste. Kaum vorstellbar, dass gestern hier noch ein Film flimmerte und erst am Morgen die letzten Verkaufssessel weichen mussten.

Handwerker bringen den größten Kinosaal derzeit auf Vordermann.
Rund 100.000 Euro für alle Umbauten
Auch Teresa Kästel, die zweite Kinoleiterin im Führungsdoppel, ist begeistert. Denn noch laufe der Kinobetrieb auf Sparflamme. Aber Ende nächster Woche würden die neu bestellten Kinositze eingebaut. Natürlich sind auch sie wieder samtig und rot. Dann sollen alle Umbauten abgeschlossen sein. Das werde wahrscheinlich fast 100.000 Euro kosten, rechnet Teresa Kästel vor. Möglich sei das nur, weil Fördermittel des Bundes einen Teil der Kosten abdecken. Schon geplant sind die nächsten Arbeiten: Ein vierter Kinosaal soll entstehen.

Das Metropol-Kino wurde 1919 gebaut. Damals war es das erste große Lichtspieltheater der Stadt Gera.
Eröffnet wurde das Metropol-Kino 1919. Es war damals das erste große Lichtspieltheater der Stadt Gera. Es wurde mehrfach umgebaut, musste 1998 schließen und wurde 2014 wiedereröffnet. Heute verfügt es über rund 170 Plätze. 1973 wurde dort das Kinderfilmfestival "Goldener Spatz" ins Leben gerufen.
MDR (co)