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Hauptversammlung der DWS Bußgeld wegen Greenwashing betrifft prominenten Fonds

Stand: 13.06.2025 06:06 Uhr

Auf ihrer Hauptversammlung möchte die DWS mit dem Thema Greenwashing abschließen. Im April akzeptierte sie ein Bußgeld. Im Visier der Ermittler war dabei der wichtigste Fonds der DWS, zeigen Recherchen von NDR, WDR und SZ.

Von Petra Blum, WDR, Verena von Ondarza, NDR

Auf ihren Fonds "Top Dividende" war der börsennotierte Vermögensverwalter DWS immer besonders stolz. Es ist der mit Abstand größte Fonds, den die Deutsche Bank-Tochter jemals aufgelegt hat. Ein Fondsvolumen von rund 20 Milliarden Euro und jährliche Ausschüttungen für die Anleger machten ihn zu einem sogenannten Flagshipfonds, also einem Fonds, den die DWS ihren Kunden viel und aktiv anbot.

Nicht nur das. Der "Top Dividende" sollte auch für eine Zeitenwende stehen, die die Deutsche Bank-Tochter DWS sich selbst auferlegt hatte. Im Jahr 2020 wollte die DWS zum führenden Anbieter nachhaltiger Geldanlagen aufsteigen. Nachhaltigkeit postulierte sie in ihrem Geschäftsbericht als Teil der unternehmenseigenen DNA.

Staatsanwaltschaft verhängte Bußgeld

Doch die DWS hatte offenbar zu viel versprochen. Bei Finanzprodukten ist das kein Kavaliersdelikt, sondern kann als Ordnungswidrigkeit oder sogar als Betrug gewertet werden. Das rief die Staatsanwaltschaft auf den Plan, die umfangreich zu ermitteln begann. Vor einigen Wochen verhängte die Staatsanwaltschaft Frankfurt dann ein Bußgeld über 25 Millionen Euro wegen Greenwashing als Ordnungswidrigkeit.

Zwei Jahre zuvor hatte bereits die US- Börsenaufsicht SEC ein Bußgeld in Höhe von 19 Millionen Euro verhängt. Über die Ermittlungsergebnisse im Detail hatten bislang sowohl die DWS als auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt geschwiegen.

Nun zeigen Recherchen von NDR/WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ), dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt eben jenen Fonds "Top Dividende" als Beleg für die Greenwashing-Vorwürfe anführt und außerdem den Themenfonds "DWS ESG Blue Economy", den die DWS gemeinsam mit der Umweltorganisation WWF entwickelt hatte.

Strukturelle Defizite

Am Tag, als das Bußgeld verhängt wurde, hatte die DWS auf Anfrage von NDR/WDR und SZ erklärt, eine Berichterstattung, die behauptet, dass sich das Bußgeld auf konkrete Fonds beziehe, sei "falsch". Außerdem hatte sie in einem Pressestatement erklärt, dass sie das Bußgeld anerkenne, gleichzeitig aber darauf verwiesen, dass man bereits in der Vergangenheit "teilweise überschwängliches Marketing" eingeräumt habe. Die internen Prozesse habe man seit Beginn der Ermittlungen angepasst.

Eine Interpretation, der die Staatsanwaltschaft Frankfurt widerspricht. Dominik Mies, Sprecher der Staatsanwaltschaft Frankfurt erklärte auf Anfrage von NDR/WDR und SZ: "Unsere Ermittlungsergebnisse lassen sich nicht darauf reduzieren, dass das Marketing nur zu vollmundig betrieben worden ist." Es handele sich vielmehr um strukturelle Defizite.

Das spiegelt sich auch in der Begründung und in der Höhe des Bußgeldes wider, sagt Nikolai Badenhoop, der die Junior Research Group "Sustainable Finance Law in Europe" am Leibniz-Institut SAFE in Frankfurt leitet. Laut Staatsanwaltschaft habe die DWS gegen die allgemeine Wohlverhaltenspflicht des Kapitalanlagegesetzes verstoßen. Das sei vergleichbar mit Fällen, "in denen einem Bankmanager die Kompetenz abgesprochen wird, ehrlich zu sein oder mit der gebotenen Fach- und Sachkenntnis vorzugehen".

Unternehmen mit "ernsten Problemen"

Den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge war es den Portfoliomanagern zum Beispiel freigestellt, ESG-Daten zu berücksichtigen. Sie mussten nicht einmal dokumentieren, ob sie ihren Fonds an den ESG-Daten ausrichten. Und das, obwohl die DWS den Anlegern zeitweise anderes versprochen hatte. Unternehmen sollten, so das Versprechen, nicht nur nach wirtschaftlichen Kriterien bewertet werden, sondern auch mit Blick darauf, wie sie in den Bereichen Umwelt, Soziales und guter Geschäftsführung abschneiden.

Entsprechend investierte die DWS in dieser Zeit auch in Unternehmen mit den schlechtesten Nachhaltigkeitsbewertungen, also in Unternehmen, die den Ermittlungen der Behörde zufolge DWS-intern auch als Kategorie "ernste Probleme" bezeichnet wurde und solche, die laut DWS-Prospekt als "grundsätzlich nicht für ein Investment geeignet" bezeichnet wurden.

Massive Umweltschäden

Für ein Investment in Unternehmen mit den schlechtesten Nachhaltigkeitsbewertungen nutzte die DWS ein eigens geschaffenes Schlupfloch: Ein DWS-internes Nachhaltigkeitsgremium konnte trotz schlechter ESG-Bewertung entscheiden, dass an einem Investment festgehalten werden sollte. So diskutierte das Gremium über das Investment in einen Ölkonzern.

Diesem Unternehmen wurde damals vorgeworfen, aufgrund von Lecks in Ölpipelines für massive Umweltschäden in schützenswerten Mangrovenwäldern verantwortlich zu sein. Das Gremium gab jedoch zu bedenken, dass der Konzern womöglich nicht an dem Ölleck schuld sei, sondern jemand anderes. Das ist einem Sitzungsprotokoll zu entnehmen.

Weil das Investment aus wirtschaftlicher Sicht positiv bewertet wurde, traten die Umweltschäden jedoch in den Hintergrund. Vielmehr wurde über Risiken für die Reputation und nicht für die Umwelt diskutiert. Auf Anfrage erklärte die DWS, dass das fragliche Gremium seit Anfang 2022 aufgelöst sei. Zu inhaltlichen Diskussionen des Gremiums wolle man sich grundsätzlich nicht äußern.

Fragen an den WWF

Ernste Fragen zur Nachhaltigkeitsbewertung muss sich auch der WWF stellen: Ausgerechnet der Themenfonds "Blue Economy", den DWS gemeinsam mit dem WWF für Investments in Unternehmen mit Meeresbezug entwickelt hatte, zeigt die Staatsanwaltschaft als zweites Beispiel für das Greenwashing der DWS.

Beworben wurde der Fonds nicht nur mit dem Panda-Label des WWF, sondern auch mit den Worten: "Investieren in Unternehmen, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen direkt oder indirekt zu einer Gesundung der Meere beitragen." Der Fonds investiert auch in Aktien von Royal Caribbean, einer der größten Kreuzfahrtgesellschaften der Welt.

Ebenso im Portfolio ist ein Tochterunternehmen von Coca-Cola. Dem Getränkekonzern werfen Umweltschützer vor, mitverantwortlich für die Plastikverschmutzung der Meere zu sein. Auch der britische Kraftwerkbetreiber Drax gehörte mehrere Jahre dazu. Das Unternehmen gilt als einer der größten CO2-Verursacher Großbritanniens. Dennoch beschrieb die DWS den Schutz der Meere auch in den offiziellen Anlegerinformationen als einen Teil der Anlagestrategie.

Offene Fragen

In den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft steht der Fonds "Blue Economy" auch dafür, dass das Greenwashing auch dann noch weiterging, als die DWS bereits öffentlichen Besserung gelobt hatte. Bereits im Dezember 2022 hatte Vorstandschef Stefan Hoops versprochen, dass das Marketing künftig zurückhaltender sein soll. Das Meeresschutz-Versprechen schwächte die DWS jedoch erst im Juli 2024 ab.

Nach Informationen von NDR/WDR und SZ hatte allerdings schon im Februar 2023 eine Rechtsanwaltskanzlei, die die DWS mit einer Überprüfung ihrer Werbebotschaften beauftragt hatte, davor gewarnt, mit dem Erreichen eines bestimmten Umweltziels wie beim Fonds "Blue Economy" mit dem Meeresschutz zu werben.

Der WWF, der inzwischen die Kooperation mit der DWS aufgekündigt hat, teilte mit, dass er keine Kenntnis über das Gutachten seines ehemaligen Kooperationspartners habe. Ebenso gab der WWF an, er habe keine Kenntnis von einem Zusammenhang zwischen dem Fonds und dem Bußgeld.

Auf die Frage, warum man die Werbebotschaften für den "Blue Economy" erst so spät abgeschwächt habe, wollte sich die DWS nicht äußern, auch nicht, warum sie zuvor hartnäckig dementiert hatte, dass sich die Ermittlungen beispielhaft auf konkrete Fonds bezogen hatte.

Fehlt es an Konsequenz?

Auch wenn die DWS inzwischen defensiver mit dem Begriff Nachhaltigkeit umgeht, wirbt Vorstandschef Hoops regelmäßig damit, schnellstmöglich den Dialog mit Unternehmen aus dem Portfolio zu suchen, die kritische Nachhaltigkeitsbewertungen haben: "Wenn wir den Eindruck haben, etwas läuft in einem investierten Unternehmen nicht in die richtige Richtung, dann gibt es Konsequenzen - bis hin zum Verkauf der Aktie."

Unternehmensinsider berichten in Gesprächen mit NDR/WDR und SZ, dass der sogenannte Engagement-Prozess, also der Dialog mit problematischen Unternehmen im Portfolio, weiterhin nicht der Außendarstellung entspreche. Es fehle oft an Konsequenz, so der Vorwurf von Insidern.

Die DWS wies die Vorwürfe zurück. Die Auswahl der Unternehmen, bei denen ein Engagement angestrebt werde, erfolge anhand festgelegter Kriterien. Ob und wie viele Unternehmen in der Vergangenheit aufgrund von unbefriedigendem Engagement ausgeschlossen wurden, wollte die DWS aber nicht beantworten. Derzeit läuft noch eine Sonderprüfung der Finanzaufsicht Bafin, die den so genannten Engagement-Prozess der DWS untersucht.