
Kokainschwemme Experten warnen vor Korruption
In Hannover beginnt heute ein Prozess gegen einen Staatsanwalt, dem vorgeworfen wird, Ermittlungsgeheimnisse an eine Drogenbande verraten zu haben. Experten warnen, der zunehmende Kokainschmuggel nach Europa steigere die Korruptionsgefahr.
Es ist ein Fall wie aus einem Hollywood-Drehbuch. In Hannover steht ab heute der Staatsanwalt Yashar G. vor Gericht. Der Jurist galt unter Kollegen lange Zeit als ein besonders akribischer und gewissenhafter Ermittler. Doch die Staatsanwaltschaft Osnabrück wirft ihm vor, die Seiten gewechselt zu haben.
Vor einigen Jahren leitete G. die Ermittlungen in einem Verfahren, bei dem es um den Schmuggel von 16 Tonnen Kokain ging - die größte in Europa jemals beschlagnahmte Menge. Doch G. soll im Zuge der Ermittlungen vertrauliche Informationen an die Täterseite verkauft haben.
Hierfür soll er mehrere Zehntausend Euro von der Bande bekommen haben. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück wirft dem Mann nun Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall, Verletzung des Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung im Amt vor. Er ist in insgesamt 14 Fällen angeklagt. Yashar G. bestreitet alle gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe.
Polizisten angeklagt
Es ist keineswegs der einzige Fall mutmaßlicher Korruption, der derzeit deutsche Strafverfolgungsbehörden beschäftigt. Vor wenigen Wochen erst nahmen Ermittler des LKA Baden-Württemberg einen 46-jährige Polizisten aus dem Raum Aalen fest, der im Verdacht steht, die italienischen Mafiaorganisation 'Ndrangehta unterstützt zu haben.
Seit Mitte April sind zwei Bundespolizisten wegen Drogenschmuggels angeklagt. Die Staatsanwaltschaft Essen wirft ihnen vor, bei ihrer Arbeit am Frankfurter Flughafen mit einer Bande von Kokainschmugglern gemeinsame Sache gemacht zu haben.
Bargeld für Korruption
Natürlich seien dies Einzelfälle, sagt Daniel Brombacher von der Europäischen Beobachtungsstelle für Organisierte Kriminalität. Gleichwohl spiegele sich in ihnen eine wachsende Gefahr, die die Gesellschaft ernst nehmen müsse. "Wir haben uns lange Zeit sicher gefühlt, dass diese Dinge im Ausland passieren und nicht bei uns. Aber die Kokainschwemme der letzten Jahre hat einfach sehr viel Bargeld in die Kassen der Organisierten Kriminalität gespült. Und das wird eben auch zur Korruption genutzt."
Eine verlässliche Statistik zur Korruption im Bereich der Organisierten Kriminalität gibt es bisher nicht. Dies dürfte auch daran liegen, dass es sich bei dem Phänomen scheinbar um ein "Verbrechen ohne Opfer" handelt, das heißt, man kommt den Netzwerken in der Regel nur durch Zufall auf die Spur.
Gleichwohl stützen zahlreiche Korruptionsfälle, die in den vergangenen Monaten und Jahren aufgeflogen sind, Brombachers Befürchtung. Auffallend häufig stehen diese in Verbindung mit dem internationalen Kokainhandel. Im Fokus der Täter steht beispielsweise auch der Hamburger Hafen, in dem die Netzwerke immer wieder sogenannte Innentäter anwerben, darunter etwa IT-Mitarbeiter der Hafenbetreiber und Speditionsunternehmen.
Systematische Korruption
Nach NDR-Informationen zahlen kriminelle Gruppen Hafenmitarbeitern für einfache Tätigkeiten mehrere Zehntausend Euro. Ziel ist es dabei, unentdeckt an große Kokainlieferungen zu kommen. Oftmals ist schon der genaue Standort eines Containers eine wichtige Information. Im Rahmen von Ermittlungsverfahren im norddeutschen Kokainmilieu war in den vergangenen Jahren zudem wiederholt aufgefallen, dass sich Vertrauensleute von Tätergruppierungen gezielt in besonders sicherheitsrelevanten Bereichen um einen Job beworben hatten, darunter etwa Haftanstalten. Das geht aus Ermittlungsunterlagen vor, die der NDR einsehen konnte.
Vor diesem Hintergrund sei es höchste Zeit, dass die systematische Korruption breiter gesellschaftlich debattiert wird, sagt Helena Raspe von der Nichtregierungsorganisation "Mafia Nein Danke". Die "cleveren kriminellen Organisationen gehen natürlich systematisch an Behörden ran. Ein Fall wie der des Staatsanwaltes in Hannover muss ein absolutes Warnsignal sein", sagt Raspe.
Im Fokus der Organisierten Kriminalität
Auch beim Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK) sieht man eine wachsende Gefahr. Zwar sei es nicht so, dass die Behörden das Thema nicht auf dem Schirm hätten, sagt Oliver Huth vom BdK, aber "Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes sind heute viel stärker im Fokus der Organisierten Kriminalität, weil diese Netzwerke expandieren". Es sei deshalb wichtig, dass sich die Behörden heute Gedanken machen, die sie sich vor einigen Jahren wahrscheinlich noch nicht gemacht hätten.
Der Prozess gegen den Hannoverschen Staatsanwalt Yashar G. wird vermutlich bis Mitte September dauern. Die Ermittler glauben, dass G. nicht nur der Kokainbande Informationen verraten haben könnte. Vielmehr geht die Staatsanwaltschaft Osnabrück davon aus, dass der Staatsanwalt über Jahre hinweg Ermittlungsinterna an alle möglichen kriminellen Gruppen weitergegeben haben könnte, darunter auch die Rockergruppe Hells Angels. Es gilt die Unschuldsvermutung.