Bewaffnete Sicherheitskräfte stehen auf einer gesperrten Straße.
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Bericht des Auswärtigen Amtes Menschenrechtslage im Irak bleibt prekär

Stand: 12.06.2025 06:00 Uhr

Im Irak gibt es laut einem vertraulichen Lagebericht des Auswärtigen Amtes weiterhin Menschenrechtsverletzungen durch Polizei, Armee und Milizen. Der Bericht, der dem NDR vorliegt, dient als Grundlage für Entscheidungen über Asylanträge.

Von Reiko Pinkert und Hannes Stepputat, NDR

In dieser Woche findet die Innenministerkonferenz in Bremerhaven statt. Einer der Tagesordnungspunkte: Die Rolle des Bundes bei Rückführungen soll gestärkt werden. Die Bundesregierung steht unter Druck, hatte man doch im Wahlkampf versprochen, mehr Menschen abzuschieben, auch in Länder, in denen die Sicherheits- und Menschenrechtslage nicht gut ist. Länder wie den Irak. Ein aktueller Lagebericht des Auswärtigen Amtes zeichnet ein düsteres Bild über die Situation in dem Land.

Willkürliche Festnahmen und Folter

Dem Bericht zufolge kommt es im Irak "immer wieder zu systematischer Anwendung von Folter bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte." Besonders besorgniserregend seien Vorwürfe, dass mittels Drucks und Folter Geständnisse erpresst würden. Dabei würden auch Elektroschocks eingesetzt, wie der Parlamentarische Ausschuss für Menschenrechte des irakischen Parlaments bereits im März 2023 festgestellt habe. Die Täter würden nicht zur Rechenschaft gezogen.

Weiter stellt der Lagebericht willkürliche Festnahmen sowie die Verhängung von Todesstrafen fest. Einschüchterungen und Gewalt gegen Aktivisten und Medienschaffende seien "weit verbreitet", ebenso Entführungen.

Die Medien- und Pressefreiheit in Irak stehen stark unter Druck. Investigative Berichterstattung könne, ebenso wie Kritik an Milizen oder religiösen Führern, lebensgefährlich sein.

Strafen für Homosexuelle

Im Mai 2024 trat zudem ein Gesetz in Kraft, wonach für homosexuelle Handlungen, Geschlechtsumwandlungen und Imitationen des anderen Geschlechts hohe Haftstrafen bis zu 15 Jahren drohen. Gewalttätige Übergriffe auf LGBTQI-Personen seien häufig. Geld- oder Gefängnisstrafen können dem Bericht zufolge auch gegen Organisationen verhängt werden, die der "Förderung" oder Unterstützung von Homosexualität bezichtigt werden.

Dass das Gesetz auch in den kurdischen Regionen des Irak umgesetzt werde, sei zwar nicht zu erwarten. Dennoch sei auch dort keine einzige Organisation zur Unterstützung Homosexueller mehr tätig. Einzelne Aktivisten gingen ein hohes persönliches Risiko bei ihrer Tätigkeit ein.

Weiter viele Binnenvertriebene

Noch immer hat auch die Herrschaft der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und der Krieg gegen den IS Auswirkungen. Etwa eine Million Menschen gelten weiterhin als Binnenvertriebene. Sie waren vor allem während der IS-Herrschaft aus ihren Heimatregionen geflohen oder vertrieben worden. Dass sie auch Jahre nach der Niederlage des IS nicht zurückkehren können, liegt dem Bericht zufolge vor allem an der schlechten wirtschaftlichen Lage des Landes sowie fehlenden Bildungsangeboten.

Auch Sprengfallen und die generell prekäre Sicherheitslage im Irak, innergesellschaftliche Spannungen sowie fehlende Unterkünfte und Grundversorgung spielten demnach eine Rolle. Vertriebene, die sich dennoch in ihre Heimatregionen aufmachten, kehrten nicht selten in Flüchtlingslager zurück.

Insgesamt sind nach Angaben der UN derzeit 2,3 Millionen Menschen im Irak auf humanitäre Hilfe angewiesen, bei einer Million sei dieser Bedarf akut. Laut dem Lagebericht verfügt nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser. Die Situation scheint sich für Geflüchtete noch zu verschärfen: Erste Flüchtlingscamps müssen wegen der Entscheidung der neuen US-Regierung, keine Hilfsgelder mehr zu zahlen, schließen oder zusammengelegt werden.

Situation der Frau deutlich verschlechtert

Die Stellung der Frau hat sich laut Lagebericht im Vergleich zur Zeit des Regimes von Langzeitmachthaber Saddam Hussein teilweise deutlich verschlechtert. Häufig seien sie Diskriminierung im Alltag ausgesetzt. Die Möglichkeit am politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben im Irak teilzunehmen, seien nur eingeschränkt möglich. Nach aktueller Rechtslage bleiben Vergewaltigung ungesühnt, wenn der Täter sein Opfer heiratet.

Da Frauen und ihre Familien nach einer Vergewaltigung erheblich stigmatisiert seien, werden Opfer zum Teil von der eigenen Familie zur Eheschließung gezwungen. Auch Kinderehen sind immer noch weit verbreitet. Etwa jedes vierte Mädchen werde vor dem 18. Lebensjahr verheiratet.

Zahl der Abschiebungen in den Irak steigt

Die Zahl an Rückkehrern und Abgeschobenen in den Irak war lange gering. Zunächst lehnte die irakische Regierung freiwillige Rückführungen ab, lediglich bei Straftätern machte man Ausnahmen. Schon im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Oktober 2022 wurde die Menschenrechtslage im Irak sehr kritisch beurteilt.

Trotzdem vereinbarte die Bundesregierung mit dem Irak ein Migrationsabkommen. Daraufhin wurden im Jahr 2024 knapp 700 Menschen in den Irak abgeschoben worden, mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor (300). Die irakische Botschaft äußerte sich auf Nachfrage zu dem Lagebericht nicht.