Thomas Mann (Archivbild von 1946)

150. Geburtstag Warum Thomas Mann in Japan so populär ist

Stand: 06.06.2025 09:25 Uhr

Die Bücher von Thomas Mann haben Generationen von Schriftstellern geprägt. Dabei gelten sie als sperrig. Selbst in Japan feiert Mann Erfolge. Zu seinem 150. Geburtstag erscheint die Novelle "Tonio Kröger" in der 16. Neu-Übersetzung.

Von Knut Cordsen, BR

Im großen Thomas-Mann-Jubiläumsjahr ist Yasumasa Oguro kein Weg zu weit, um den - seiner Meinung nach - größten deutschen Schriftsteller zu feiern. Und so hat der Professor aus Fukuoka auf dem Weg zum Jubiläums-Kongress der Thomas-Mann-Gesellschaft in Lübeck auch in München Station gemacht.

Hier hatte er einst an der Ludwig-Maximilians-Universität studiert und seine Liebe zur Literatur des Nobelpreisträgers entdeckt. Mittlerweile lehrt er an der Kyūshū-Universität, quasi der Hochburg der japanischen Mann-Forschung. Der dort aktive "Forschungskreis Thomas Mann" hält diesen Herbst bereits seine 130. Tagung ab.

Wer sich mit Yasumasa Oguro unterhält, erfährt, dass Thomas Mann sich in Japan bereits seit den späten 1920er-Jahren großer Beliebtheit erfreut - obwohl die Lektüre nicht so einfach ist für seine Landsleute.

Einfluss auf japanische Autoren

Vor allem Schriftsteller beeinflusse er stark, so etwa den japanischen Klassiker Yukio Mishima, aber auch einen zeitgenössischen Autor wie Haruki Murakami. Die meisten Japaner meinen, Murakami stehe unter dem großen Einfluss der amerikanischen Literatur, erzählt Oguro: "Aber als ich Student war und 'Naokos Lächeln' las, hatte ich den Eindruck, dass Murakami sehr gerne Thomas Manns 'Zauberberg' gelesen haben muss."

Auch andere Literaturwissenschaftler sehen das so. Längst gibt es wissenschaftliche Arbeiten über den "Zauberberg" als Quelle und Bezugspunkt für den Roman "Naokos Lächeln" aus dem Jahr 1987.

Buch-Cover der japanischen Übersetzung von Thomas Manns Novelle "Tonio Kröger"

Das Buch-Cover der neu ins Japanische übersetzten Novelle "Tonio Kröger" von Thomas Mann.

16. Neu-Übersetzung von "Tonio Kröger"

Am 13. Juni erscheint nun Thomas Manns Novelle "Tonio Kröger" in Yasumasa Oguros Neu-Übersetzung. Es ist bereits die 16. japanische Übersetzung dieser autobiografisch geprägten Künstlergeschichte. Oguro will mit der neuen Fassung, den in Japan zuvor veröffentlichten Versionen in eher "leicht verständlicher Sprache", so wie es der Professor ausdrückt, eine Fassung entgegen stellen, die dem Original gerecht wird. In den bisherigen Übersetzungen sei zu viel verloren gegangen.

Oguro preist die musikalische Komposition, die Sonatenform der Erzählung. Der Professor, der aus Hokkaidō stammt, verbindet Persönliches mit dem Text. "‘Tonio Kröger‘ ist für mich eine Reise-Geschichte. Tonio ist im Norden geboren und aufgewachsen, fährt dann nach München gen Süden und nachher wieder nach Lübeck und Dänemark. Er pendelt zwischen Nord und Süd. Ich selbst bin Nord-Japaner und lehre an der Kyūshū-Universität im Süden und pendele auch zwischen Norden und Süden."

Keinerlei direkte Beziehung zu Japan

Yasumasa Oguros Liebe zu Thomas Mann kann auch die Tatsache nicht trüben, dass der Schriftsteller selbst keinerlei Beziehung zu Japan pflegte - Vattaru und Koto, sein japanisches Dienstboten-Paar im Exil in Pacific Palisades mal ausgenommen. Die beiden waren Gärtner und Köchin. "Zivilisiert, artig, fleißig, reinlich" seien sie, notierte Thomas Mann 1947: "Und sie verbeugen sich so hübsch, die flachen Hände auf den Oberschenkeln."

Über diese herablassenden Worte sieht der 1964 geborene Professor hinweg. Und weist lieber darauf hin, dass Thomas Mann auch mit dem japanischen Studenten Toshio Morikawa korrespondierte, aus dem dann später ein bedeutender Thomas-Mann-Forscher wurde.

Korrespondenz mit Klaus Pringsheim

Außerdem habe sich der Nobelpreisträger kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegen die Atombomben-Abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki ausgesprochen. "Aber es stimmt: Er hatte kein großes Interesse an Japan und der japanischen Kultur. Im politischen Sinne hat er einige Male von Japan geredet."

Zudem habe er sich mit seinem Schwager Klaus Pringsheim, dem Dirigenten und Zwillingsbruder seiner Frau Katia Mann, der lange Zeit in Tokio lebte, über Japan unterhalten. Klaus Pringsheim leitete als Kompositionslehrer und Kapellmeister die Kaiserliche Musikakademie in der japanischen Hauptstadt und liegt dort in Japan auch begraben. Auch er habe Mann in Briefen aus Japan berichtet.

"Manchmal sehr, sehr schweigsam"

Eine Frage würde Yasumasa Oguro gern seinem Idol stellen, hätte er Gelegenheit dazu, erzählt er: "Wieso hat Thomas Mann seine Romane und Novellen selbst ausgelegt und erklärt? Warum war er als Interpret seiner selbst so redselig, und dann aber plötzlich so schweigsam, wenn es um deren Glutkern geht? Er war in all seiner Redseligkeit manchmal sehr, sehr schweigsam."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Bayern 2 Kulturleben am 02. Juni 2025 um 14:30 Uhr und die tagesschau am 06. Juni 2025 um 12:00 Uhr.