
Rainer Maria Rilke Der Klangzauberer bewegt bis heute
Seine Worte werden in sozialen Netzwerken rezitiert, Stars tragen sie auf der Haut. Rainer Maria Rilke bleibt - fast 150 Jahre nach seiner Geburt - in den Köpfen und bewegt auch jüngere Generationen.
Auf TikTok erlebt er ein Revival: Rainer Maria Rilke. Unter dem Hashtag Rilke finden sich hier Hunderte Videos, in denen Gedichte wie "Liebeslied" oder die "Briefe an einen jungen Dichter" rezitiert werden.
"Speziell für junge Menschen ist Rilke interessant, weil er den jungen Dichtern und Künstlern Lebenshilfe bietet - und ihnen sagt: Tut nicht irgendwas, schreibt nicht nur für den Markt, sondern hört auf eure innere Stimme und tut das was ihr für richtig haltet", sagt Sandra Richter, Direktorin des Marbacher Literaturarchivs.
Rilke schrieb Essays, Gedichte und Prosa, die sich an alle Menschen richten, die Orientierung brauchen. Das spricht die junge Generation an und inspiriert heute Künstler weltweit.
Lady Gaga ist Rilke-Fan
Popsängerin Lady Gaga hat sich ein Rilke-Gedicht auf den Oberarm tätowieren lassen. Der Sänger Jimin der südkoreanischen K-Pop Band BTS ist in einem Musikvideo mit den bekannten Rilke-Versen "Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen" auf dem Oberkörper zu sehen.
"Das Gedicht spricht von der Entwicklung eines jungen Künstlers, der nicht weiß, 'werde ich etwas ganz Großes, ein großer Gesang, oder werde ich nur was ganz Kleines und gar nichts Besonderes'", so die Literaturwissenschaftlerin Richter.

Lady Gaga trägt das Rilke-Zitat "Prüfen Sie, ob er in der tiefsten Stelle Ihres Herzens seine Wurzeln ausstreckt, gestehen Sie sich ein, ob Sie sterben müßten, wenn es Ihnen versagt würde zu schreiben. Dieses vor allem: Fragen Sie sich in der stillsten Stunde Ihrer Nacht: Muss ich schreiben?" auf dem Oberarm.
Klangzauberer der deutschen Sprache
Rilke gilt als der Klangzauberer der deutschen Sprache. Mit Werken wie "Der Panther", "Herbsttag", den "Duineser Elegien" oder dem Tagebuch-Roman "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" hat er Weltliteratur geschrieben.
Aber was für ein Mensch war Rilke? Zwei neue Biografien werfen einen Blick auf das Leben des großen Dichters. Manfred Kochs Biografie "Rilke. Dichter der Angst" (C. H. Beck) und Sandra Richters "Rilke oder Das offene Leben" (Insel). Koch thematisiert Rilkes Motto "Kunstwerke aus Angst schaffen", abgeleitet von dem berühmten Rilke-Vers:
Wer spricht vom Siegen? Überstehen ist alles!
Seine Poesie der Angst habe etwas Tröstendes. "Rilke war während des Zweiten Weltkriegs neben Hölderlin so etwas wie der Trostdichter der Deutschen. In Todesanzeigen von gefallenen Soldaten hat Rilke zusammen mit Hölderlin den biblischen Versen fast den Rang abgelaufen", so Koch. Rilke sei ein Autor, der immer betont habe, dass seine Dichtung aus einer "Verwandlung des Furchtbaren ins Fruchtbare" entstanden sei. Schwerste seelische Probleme könnten durch seine Sprachgestaltung eine Gestalt bekommen.
Richter legt den Fokus hingegen auf den "geselligeren, politisch interessierten Rilke", der auf sein Umfeld, vor allem seine Mutter und seine Frauen, vertraut habe. Ein Dichter, der schon in der Literaturwelt seiner Zeit zum Star wurde und so schreiben wollte, wie er sich das vorstellte.
Rilke bewegt die Menschen
Die Sprachkunst von Rainer Maria Rilke berührt auch im Jahr seines 150. Geburtstages immer noch die Menschen. Schülerin Athina Weissflog ist Rilke-Fan. Ihr Lieblingsgedicht ist "Der Panther". "Ich glaube, es ist einfach die Symbolik, die da mitspielt, die Bilder, die er erschafft, die einen so bewegen", sagt sie.
Regina Pingel liebt vor allem die Sprache von Rilke. "Das ist so vielfältig, so anschaulich, so metaphorisch, so lautmalerisch. Das sucht seinesgleichen", so die Hamburgerin. Leserinnen und Leser könnten bei Rilke die "Erweiterung von Sprache und Fantasie" erleben, bestätigt Literaturwissenschaftler Manfred Koch. Und er empfiehlt allen, sich ein Rilke-Gedicht laut vorzulesen. Rilke sei ein Dichter, der von sprachlichen Klängen und Rhythmen lebe. Das findet auch Regina Pingel: "Die Melodie, der Rhythmus. Wenn man es hört, kann das einen nochmal ganz anders beflügeln, als wenn man es nur liest."