
Nahost-Liveblog ++ Iranische Rakete schlägt in Beerscheva ein ++
Durch den Einschlag einer iranischen Rakete im israelischen Beerscheva sollen Wohnhäuser beschädigt und mindestens sechs Menschen verletzt worden sein. Auch Israel attackierte in der Nacht erneut Dutzende Ziele im Iran.
Die wichtigsten Entwicklungen im Überblick:
- Raketeneinschlag im israelischen Beerscheva
- Israel attackiert erneut Dutzende Ziele im Iran
- Lammy nimmt an Treffen in Genf teil
- Israel meldet abgefangene Drohnenangriffe
- Menschenrechtsaktivisten: Mehr als 650 Tote im Iran
In Genf laufen die letzten Vorbereitungen vor dem Treffen von Bundesaußenminister Johann Wadephul, dem britischen Außenminister David Lammy und dem französischen Außenminister Jean-Noël Barrot mit ihrem iranischen Amtskollegen Abbas Araghtschi auf Hochtouren. Die Pressesprecherin der ständigen deutschen Vertretung beschrieb die Stimmung gegenüber ARD-Korrespondentin Vivica Jungels als "aufgeheizt". Es sei ein "sehr heißes Eisen", was bei den Gesprächen angefasst werden solle.
Israels Armee hat bei ihren jüngsten Angriffen auf den Iran eigenen Angaben zufolge Raketensysteme im Gebiet der Hauptstadt Teheran und rund um Isfahan zerstört. Diese seien auf Flugzeuge der israelischen Luftwaffe gerichtet gewesen und hätten deren Betrieb stören sollen, hieß es. Mit den Angriffen plane die israelische Luftwaffe, ihre Handlungsfreiheit im iranischen Luftraum auszuweiten. "Kampfjets und andere Flugzeuge der israelischen Luftwaffe operieren weiterhin ungehindert im iranischen Luftraum und greifen militärische Ziele des iranischen Regimes im West- und Zentraliran an", teilte das Militär weiter mit.
In Teheran soll am Vormittag erneut die Luftabwehr aktiviert worden sein, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf die iranische Nachrichtenagentur Mehr berichtet.
Kanzleramtschef Thorsten Frei blickt nur mit verhaltenem Optimismus auf die für heute geplanten Gespräche in Genf, bei denen Außenminister Johann Wadephul gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Noël Barrot und dem britischen Außenminister David Lammy mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi beraten will. Trotzdem sei es wichtig, "dass man versucht, jeden Gesprächsfaden, den es gibt, auch tatsächlich aufzunehmen und weiterzuentwickeln", betonte der CDU-Politiker im ARD-Morgenmagazin. In dieser "sehr schwierigen Situation" sei es wichtig, zu versuchen, "ein diplomatisches Fenster" offenzuhalten. Fakt sei aber auch, dass der Iran Gespräche in den vergangenen zehn Jahren genutzt habe, um parallel dazu Uran weiter anzureichern - und zwar weit über das Maß hinaus, das für eine friedliche Nutzung notwendig sei.
Raketeneinschlag in Beerscheva
Bei einem iranischen Raketenangriff auf Israel am Morgen ist dem israelischen Militär zufolge die Stadt Beerscheva im Süden des Landes getroffen worden. Mindestens ein Geschoss sei in der Nähe von Wohnhäusern, Bürogebäuden und Industrieanlagen eingeschlagen, teilte die Armee mit. Bei mindestens einem Wohnkomplex sei die Fassade abgerissen worden. Sanitätern zufolge wurden mindestens sechs Menschen leicht verletzt. Es werde aber in den Wohnungen noch nach weiteren Verletzten gesucht.
Der israelische Sender Kan zeigt Aufnahmen von brennenden Autos, dicken Rauchschwaden und zerbrochenen Fenstern an Wohngebäuden. CNN berichtet von Bränden in der Nähe von Bürogebäuden, in denen auch eine Vertretung des Microsoft-Konzerns untergebracht ist. Beerscheva war in den vergangenen Tagen bereits wiederholt zum Ziel iranischer Angriffe geworden.

Israel hat im Iran nach eigenen Angaben erneut Dutzende Ziele angegriffen. Mehr als 60 Kampfflugzeuge hätten in der Nacht unter anderem militärische Anlagen zur Herstellung von Raketen sowie das Hauptquartier einer Forschungseinrichtung des iranischen Atomprogramms attackiert, teilte die Armee am Morgen mit. Im Raum der iranischen Hauptstadt Teheran seien mehrere Industrieanlagen zur Raketenproduktion getroffen worden. Das Gebiet habe als ein zentrales Industriezentrum des iranischen Verteidigungsministeriums gedient. Zudem sei eine Anlage zur Herstellung einer wichtigen Komponente für das iranische Atomwaffenprogramm ins Visier genommen worden. Von iranischer Seite sind die Angriffe bisher nicht bestätigt. Israel hatte zuvor nächtliche Drohnen- und Raketenangriffe seitens des Iran gemeldet.
Der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler, außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Sicherheits- und Verteidigungsausschuss, hat sich im Gespräch mit dem Spiegel für Strafmaßnahmen gegen Israels Finanzminister Bezalel Smotrich und den Polizeiminister Itamar Ben-Gvir ausgesprochen. Die beiden Minister hätten sich "seit Langem durch besonders extreme Äußerungen hervorgetan, nicht nur die Zukunft von Gaza betreffend, sie unterstützen aktiv die radikale Siedlerbewegung im Westjordanland und haben sich auch damit gegen eine Zweistaatenlösung gestellt", begründete Gahler seine Haltung. Für ihr seien eine Einreisesperre oder das Einfrieren von deren Vermögen als mögliche Sanktionen vorstellbar.
Gahler kritisierte die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland als völkerrechtswidrig. "Wir brauchen weiterhin gute Beziehungen nach Israel, sollten aber gezielt gegen die Akteure vorgehen, die eine Zweistaatenlösung immer weiter erschweren", mahnte Gahler. Bereits vor rund anderthalb Wochen hatten fünf Länder Sanktionen gegen Smotrich und Ben-Gvir verhängt.
Bundesaußenminister Johann Wadephul hat den Iran vor den heutigen Beratungen auf Außenminister-Ebene in Genf zu mehr Ernsthaftigkeit aufgefordert. Sollte "eine ernsthafte und transparente Bereitschaft des Iran" zu erkennen sein, auf sein Atomprogramm zu verzichten, "dann gibt es eine wirkliche Chance, eine weitere Eskalation dieses Krieges zu verhindern", sagte Wadephul im MDR-Podcast "Das Interview".
Wadephul und die Außenminister von Frankreich und Großbritannien wollen im schweizerischen Genf mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi verhandeln. Bisherige Gespräche mit Teheran zum Atomprogramm waren jedoch nicht erfolgreich.
Laschet stärkt Kanzler Merz den Rücken
Der CDU-Außenpolitiker Armin Laschet hat Bundeskanzler Friedrich Merz gegen Kritik an dessen "Drecksarbeit"-Äußerung in Bezug auf die israelischen Angriffe auf den Iran verteidigt. "Ich muss ihm das schon zugutehalten - wenn er da etwas deutlicher spricht, vielleicht auch eine Kursänderung vornimmt, dann ist das gut", sagte Laschet am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Merz hatte am Dienstag am Rande des G7-Gipfels in Kanada Israels Militäreinsatz gegen den Iran gewürdigt. "Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle", hatte Merz, ebenfalls im Gespräch mit dem ZDF, gesagt. Die Äußerungen sorgten für Kritik, unter anderem vom Koalitionspartner SPD.
Laschet räumte ein, dass wahrscheinlich "weder der Bundeskanzler noch der Außenminister noch irgendeiner" Israel vorab zu einem solchen präventiven Schlag geraten hätten. Die völkerrechtliche Diskussion helfe aber jetzt nicht weiter. "Wir sind jetzt mittendrin", betonte Laschet. "Wir sind jetzt dabei, dass der Iran nach 20 Jahren Herumtaktieren endlich dazu kommt, auf die Atombombe zu verzichten." Zugleich warnte Laschet vor dem Versuch, einen Systemwechsel im Iran mit militärischen Mitteln herbeizuführen. "Kein vernünftiger Mensch in Europa ist dagegen, dass das Mullah-System verschwindet", sagte der CDU-Politiker. Die Frage sei nur, wie man dahin komme. "Das werden nicht die Israelis bestimmten können und auch nicht die Amerikaner, die militärisch eingreifen", warnte Laschet. Er glaube, dass die iranische Zivilgesellschaft das Regime aus eigener Kraft stürzen könne.
Die israelische Armee hat mitgeteilt, dass die Bevölkerung die Schutzräume wieder verlassen könne. Die Such- und Rettungskräfte seien an einem Ort im Einsatz, wo ein Geschoss niedergegangen sein soll. Kurz zuvor waren laut dem Militär mehrere Drohnen aus dem Iran abgefangen worden.
Israel meldet Raketenangriffe
Der Iran setzt seine Raketenangriffe auf Israel nach Angaben des israelischen Militärs fort. Die Luftabwehr sei erneut im Einsatz, um Geschosse abzufangen, teilte das Militär am frühen Morgen mit. Die Bevölkerung wurde angewiesen, bis auf Weiteres in den Schutzräumen zu bleiben. Kurz zuvor waren laut Militär mehrere Drohnen aus dem Iran abgefangen worden.
US-Außenminister Marco Rubio hat am Donnerstag (Ortszeit) den britischen Außenminister David Lammy sowie die australische Außenministerin Penny Wong, den französischen Außenminister Jean-Noël Barrot und den italienischen Außenminister Antonio Tajani jeweils zu Einzelgesprächen getroffen, um den Konflikt zwischen Israel und dem Iran zu besprechen. Wie das US-Außenministerium mitteilte, sind sich Rubio und die Außenminister einig gewesen, dass der Iran niemals eine Atomwaffe entwickeln oder erwerben soll.
Bei den israelischen Angriffen auf den Iran sind nach Angaben einer Menschenrechtsorganisation mindestens 657 Menschen getötet worden. Mehr als 2.030 weitere seien verletzt worden, teilte die in Washington ansässige Organisation Human Rights Activists mit. Die Gruppe erklärte, sie habe 263 der Toten als Zivilisten und 164 als Sicherheitskräfte identifiziert.
Die Organisation Human Rights Activists, die auch während der Anti-Regierungsproteste im Iran 2022 Opferzahlen veröffentlicht hatte, gleicht Berichte in der Islamischen Republik mit einem Netzwerk von Quellen ab, das sie im Land aufgebaut hat.
Die iranische Regierung aktualisiert die Zahl der Opfer der israelischen Angriffe nur unregelmäßig. Zuletzt hatte die Regierung am Montag 224 Tote gemeldet. Weitere 1.277 sind den Regierungsangaben zufolge verletzt worden.
Israel: Drohnenangriffe abgewehrt
Die israelische Flugabwehr hat nach Militärangaben in der Nacht wiederholte Drohnenangriffe aus dem Iran abgewehrt. Im Gebiet des Toten Meeres seien kurz nacheinander drei Drohnen abgefangen worden, teilte die Armee auf Telegram mit. Zuvor hatten wieder die Warnsirenen geheult.
Israels Außenminister Gideon Saar schreibt auf X, in Tel Aviv sei eine Granate auf die Residenz des norwegischen Botschafters geworfen worden. In Oslo teilt das norwegische Außenministerium mit, in der Residenz hab es eine Explosion gegeben. "Kein Botschaftsmitarbeiter wurde bei dem Vorfall verletzt", heißt es in einer per E-Mail versandten Erklärung, die keine Angaben zur Ursache der Explosion enthielt. Die israelische Polizei erklärt, es sei "leichter Sachschaden" entstanden. Eine Untersuchung sei eingeleitet worden.
Das britische Außenministerium bestätigt offiziell die Teilnahme des Außenministers David Lammy am heutigen Treffen mit seinen Amtskollegen aus Deutschland und Frankreich in Genf. Daran teilnehmen werde auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sowie der iranische Außenminister Abbas Araghtschi. Bei dem Treffen soll eine diplomatische Lösung im Streit um das iranische Atomprogramm diskutiert werden, teilte das Außenministerium am Donnerstag mit. "Innerhalb der nächsten zwei Wochen besteht nun die Möglichkeit, eine diplomatische Lösung zu finden", so Lammy in der Erklärung des Außenministeriums.
Der Liveblog von Donnerstag zum Nachlesen
Israel hat laut Premierminister Netanjahu etwa die Hälfte der iranischen Raketenabschussrampen getroffen. Das Auswärtige Amt hat Angehörige deutscher Entsandter in Israel und anderen Ländern der Region zur Ausreise aufgerufen.