Händler an der New York Stock Exchange.
marktbericht

US-Börsen schließen leichter Nahost-Sorgen lasten auf der Wall Street

Stand: 13.06.2025 22:17 Uhr

Mit großer Besorgnis haben heute auch die US-Anleger auf die Lage im Nahen Osten reagiert nach dem israelischen Angriff auf den Iran. Panikartige Verkäufe gab es aber nicht.

Wie schon zuvor in Asien und Europa bestimmte heute auch an der Wall-Street das Geschehen im Nahen Osten den Handel. Die großen Aktienindizes blieben dabei den ganzen Tag im Minus stecken und weiteten ihre Verluste gegen Sitzungsende noch aus. Dies nach Meldungen, dass die Angriffe auf den Iran am Abend weitergegangen seien; im Gegenzug wurde auch in Israel Luftalarm nach iranischem Raketenbeschuss ausgelöst.

Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte am Ende 1,79 Prozent tiefer bei 42.197 Punkten. Der breiter gefasste S&P 500 verlor 1,1- , der Index der Technologiebörse Nasdaq 1,3 Prozent. Der Auswahlindex Nasdaq 100 sackte ebenfalls um 1,3 Prozent ab.

Trotz der Verluste gab es keine Panikverkäufe vor dem Wochenende. "Die große Frage ist natürlich: Wie weit wird das gehen?", so Chris Scicluna, Chefanalyst beim Finanzdienstleister Daiwa Capital Markets. "Der Markt hat bisher richtig reagiert: Aktien runter, Öl und Gold rauf."

Die Börsen reagierten weltweit zwar besorgt, aber nicht panisch, fasste Sören Hettler, Leiter Anlagestrategie und Privatkunden der DZ Bank, die allgemeine Stimmung zusammen. Beunruhigend sei die Situation im Nahen Osten dennoch.

Die Stimmung der US-Verbraucher hat sich derweil im Juni erstmals seit sechs Monaten aufgehellt. Das von der Universität Michigan erhobene und von der Börse vielbeachtete Konsumklima stieg um 8,3 Punkte auf 60,5 Punkte, wie die Universität heute nach einer ersten Schätzung mitteilte. Dies ist der höchste Stand seit Februar. Volkswirte hatten mit 53,6 Punkten gerechnet.

"Die Verbraucher scheinen sich etwas von dem Schock der im April angekündigten extrem hohen Zölle und der politischen Volatilität in den darauf folgenden Wochen erholt zu haben", sagte Joanne Hsu, Leiterin der Umfrage. "Allerdings sehen die Verbraucher nach wie vor weitreichende Risiken für die Wirtschaft."

Die Aussicht auf zusätzliche Sicherheitschecks nach dem jüngsten Flugzeugabsturz in Indien rückten Boeing- und GE-Aktien in den Fokus. Die indische Luftfahrtbehörde hat eine Anweisung an die Fluggesellschaft Air India erteilt, mehrere Sicherheitsüberprüfungen an ihren Maschinen des Typs Boeing 787-8 und 787-9 vorzunehmen.

Neben Startparameter-Checks vor jedem Flug ab dem 15. Juni verlangt die Behörde auch zusätzliche Wartungsmaßnahmen für Flugzeuge mit GEnx-Triebwerken von GE. Bei dem Absturz eines Passagierflugzeugs in Indien kamen heute nach Angaben der Polizei über 240 Menschen ums Leben.

Ein besonders sensibler Indikator für die Eskalation der geopolitischen Spannungen im Nahen Osten ist wie stets der Ölpreis. Die Ölpreise haben heute nach dem israelischen Angriff auf den Iran deutlich angezogen. Am Abend notierte der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im August bei 74,74 Dollar und damit 6,4 Prozent höher als am Vortag. Zwischenzeitlich hatte ein Barrel sogar bis zu 78,50 Dollar gekostet. Das war der höchste Stand seit Januar.

Der Preis für ein Barrel der US-Sorte WTI zur Lieferung im Juli lag am Abend bei 73,57 Dollar und damit 6,8 Prozent höher als ein Tag zuvor. Der WTI-Preis kletterte in der Spitze um 14,1 Prozent auf 77,62 Dollar je Fass - der höchste Stand seit Ende Januar.

Investoren am Ölmarkt preisen damit Angebotssorgen ein, dürfte nun doch der Ölexport des Iran für eine Weile ausfallen. Im Fokus der Anleger steht zudem die Straße von Hormus, die den Persischen Golf mit dem Arabischen Meer verbindet. Diese Meerenge spielt eine zentrale Rolle für die Ölpreise, passieren doch täglich etwa 20 Prozent des weltweit gehandelten Öls diese Weg. Der Iran hat immer wieder mit der Sperrung der Seestraße gedroht, was eine weitere, unkalkulierbare Eskalation darstellen würde - dem Land aber auch selbst schaden würde.

"Die gestiegene Unsicherheit spricht für eine höhere Risikoprämie auf den Ölpreis, weshalb dieser vorerst kaum nachhaltig unter die Marke von 70 Dollar zurückfallen dürfte", sind die Commerzbank-Rohstoffexperten Carsten Fritsch und Barbara Lambrecht überzeugt.

Die dramatische Verschärfung der Spannungen im Nahen Osten drückte heute auch den heimischen Aktienmarkt ins Minus. Der Leitindex DAX, der in den vergangenen Handelstagen wegen der nicht enden wollenden Zollsorgen ohnehin zur Schwäche neigte, grenzte im Verlauf seine Verluste zwar ein, am Ende stand aber der sechste Verlusttag in Folge.

Bei einem Schlussstand von 23.516 Punkten gab der deutsche Leitindex 1,07 Prozent nach und verlor damit im Wochenvergleich rund 3,2 Prozent. Auch der MDAX der mittelgroßen Werte stand deutlich unter Abgabedruck mit einem Minus von 1,52 Prozent.

Die Lage im Nahen Osten nach den jüngsten israelischen Angriffen auf iranische Atomanlagen sei alarmierend und "dürfte viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischt haben", schreibt Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets. Wer auf der Suche nach einem Vorwand zum Verkauf von Aktien gewesen sei, werde nun aktiv.

"An den Aktienmärkten folgt die Reaktion dem klassischen Muster: Risiko raus", kommentierten die Experten von Index Radar den Verlauf. Dabei werden vor allem Aktien verkauft. Im Gegenzug steigen die Kurse der "sicheren Häfen", unter anderem der Goldpreis. Dieser stieg zuletzt um 1,00 Prozent auf 3.429 Dollar je Feinunze. Das gelbe Edelmetall nähert sich damit wieder seinem Rekordhoch bei 3.500 Dollar an, das es im April angesichts geopolitischer Spannungen, der von US-Präsident Donald Trump entfachten Handelsstreitigkeiten und anhaltenden Konjunktursorgen, markiert hatte. Staatsanleihen haben allerdings im Verlauf ihre Gewinne wieder abgegeben und sind ins Minus gedreht.

Auch der als Krisenwährung geltende US-Dollar wurde gesucht und beendete damit zunächst seine jüngste Schwächephase gegen den Euro. Zuletzt wurden im US-Handel 1,1543 Dollar für die Gemeinschaftswährung bezahlt. Das ist zwar weniger als gestern, absolut bleibt das Niveau aber schwach. Zuletzt hatten die Anleger nach der erratischen Zollpolitik der Trump-Regierung ein gutes Stück Vertrauen in den Greenback verloren. Dies trotz des weiterhin wesentlich höheren Leitzinsniveaus als Folge eben dieser Zollpolitik.

Gestern hatte der Euro noch von einer Dollar-Schwäche profitiert. Er war zeitweise über 1,16 Dollar gestiegen und damit auf den höchsten Stand seit Ende 2021. Kurz vor dem Wochenende hat sich der Dollar aber "nur ein wenig befestigt", beschrieben Experten der Dekabank die jüngste Kursentwicklung. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1512 (Donnerstag: 1,1594) Dollar fest.

Diese sicheren Anlagen dürften nun so lange gefragt bleiben, bis die Gefahr einer weiteren Eskalation gebannt ist. "Es lässt sich unmöglich sagen, wie sich die Situation in den kommenden Tagen entwickelt", betont Michael Pfister, Devisen-Experte der Commerzbank. "Auf jeden Fall ist das eine große Eskalation, die uns deutlich näher an einen ausgewachsenen Krieg im Nahen Osten bringt."

Ebenfalls nicht neu ist, dass Aktien von Fluglinien zu den größten Verlierern am Aktienmarkt zählen, bekommen sie doch die Folgen einer Krise als allererste mit. Die steigenden Ölpreise, aber auch die zahlreichen Flugstreichungen lasten auf den Erträgen und damit auf den Kursen. Papiere der British Airways-Mutter IAG, Air France-KLM und EasyJet verzeichnen klare Verluste.

Im MDAX rutschten Papiere der Lufthansa in der Spitze um knapp sechs Prozent ab, holten im Verlauf aber große Teile ihrer Verluste auf und schlossen letztlich 2,7 Prozent leichter. Allerdings muss die Aktie die Marke von 7,00 Euro, die sie zuletzt nach langem Ringen überschritten hatte, wieder abgeben. Die Kranich-Airline teilte mit, bis auf Weiteres alle Flüge nach und von Teheran auszusetzen. Zudem werde der iranische, irakische und israelische Luftraum nicht überflogen.

Auf der Gewinnerseite standen angesichts der Eskalation in Nahost wenig überraschend die Aktien der Rüstungsunternehmen. Im DAX legten die Titel von Rheinmetall um rund 2,7 Prozent zu. Im MDAX waren Hensoldt und Renk gefragt.