Ein Landwirt fährt mit einer Pestizid- und Düngerspritze über ein Feld

Umstrittenes Herbizid Wie geht es weiter mit Glyphosat?

Stand: 12.05.2025 06:23 Uhr

Glyphosat ist in der EU noch bis mindestens 2033 zugelassen. Die Ampelkoalition wollte das Herbizid in Deutschland eigentlich verbieten. Was ist passiert - und was plant die neue Regierung?

Von Julia Rupprich, br

Stephan Obermaier will auf seinen Feldern Zuckerrüben aussäen. Doch auf den Flächen findet man momentan noch sogenannte Altverunkrautung und Zwischenfrüchte, die Obermaier letzten Herbst gesät hat, um seine Felder vor Erosion zu schützen. Damit die Zuckerrüben optimal wachsen können, muss das Grünzeug weg - mit einem Totalherbizid, das den Wirkstoff Glyphosat enthält.

Doch warum darf Obermaier überhaupt noch mit Glyphosat spritzen? Der Wirkstoff ist umstritten: Umweltschützer kritisieren, dass Glyphosat zum Artensterben beitrage, weil es nicht nur Unkraut, sondern alle Pflanzen abtöte.

Deutschland enthielt sich bei EU-Votum

Die Ampelregierung wollte Glyphosat in Deutschland verbieten. "Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt", stand 2021 im Koalitionsvertrag. Allerdings: Es gibt einen Beschluss der EU-Kommission aus dem Jahr 2023, die Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat um zehn Jahre, also bis zum 15. Dezember 2033, zu verlängern. Bei der EU-Entscheidung hatte sich Deutschland enthalten: Die Parteien innerhalb der Ampel waren sich uneinig - trotz Koalitionsvertrags.

Grundsätzlich wäre ein nationales Verbot trotz EU-Zulassung nicht ganz ausgeschlossen, bräuchte aber eine gute Begründung, sagt die BUND-Pestizidexpertin Corinna Hölzel. Mit Blick auf die neue Regierung ist sie skeptisch: "Ich befürchte, da gibt es relativ wenige Chancen, dass das in Deutschland umgesetzt wird". Konkrete Aussagen im Koalitionsvertrag von Union und SPD zu Glyphosat gibt es nicht.

Wird Glyphosat freiwillig vom Markt genommen?

Im März wiederum hat Bayer-Chef Bill Anderson ein freiwilliges Ende des Glyphosat-Geschäfts angedeutet. 2018 übernahm der deutsche Konzern Bayer den US-Konzern Monsanto und hat seitdem nur Ärger: Zehntausende von Klagen in den USA, in denen behauptet wird, der Wirkstoff sei krebserregend. Schon jetzt belaufen sich diese auf über neun Milliarden Euro. Weitere 60.000 Klagen stehen noch aus. Deshalb überlegt Bayer, Glyphosat vom Markt zu nehmen - allerdings nur in den Vereinigten Staaten. Und weltweit gibt es ohnehin auch noch andere Hersteller, vor allem in China.

Was würde ein generelles Verbot bringen? Ein Grund zur Freude wäre das für Corinna Hölzel nur bedingt: Die Agrarchemiekonzerne würden Nachfolgeprodukte anbieten, und ob die dann "harmloser" wären als Glyphosat, sei fraglich: "Es ist nicht so, dass dann ungefährliche Pestizide auf den Markt kommen, die tatsächlich weniger Risiken für die Artenvielfalt darstellen." Ein Argument, das auch in der Diskussion um ein deutsches Verbot immer wieder vorgebracht wird - zugunsten von Glyphosat.

BUND fordert nicht-chemische Maßnahmen

Trotzdem fordert der BUND stärkere Einschränkungen für die Anwendung, bis hin zu einem Komplettverbot: "Die Alternative müssen nicht-chemische Maßnahmen sein, wie eine mechanische Bodenbearbeitung und breite Fruchtfolge", so Hölzel.

Für Landwirt Stephan Obermaier kommt das nicht in Frage. Er macht auf seinen Feldern Direktsaat ohne Pflügen. Um den Boden vor Erosion zu schützen, hat er sich bewusst für Glyphosat entschieden. Seit über 20 Jahren spritzt er den Wirkstoff. "Wenn ich den Boden mechanisch bearbeite, ist der Acker zwar frei von Pflanzen, aber nackt", sagt Obermaier. Mit Glyphosat bleibe eine Bodenbedeckung an der Oberfläche, die zum Beispiel bei Starkregen vor Abschwemmung schütze. Für ihn ist klar: Er spritzt mit Glyphosat, solange er darf.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste in "Klimazeit" am 02. August 2024 um 19:30 Uhr.