Donald Trump hält den Ausdruck eines Artikels im Weißen Haus hoch.
weltspiegel

Anschuldigungen gegen Südafrika Woher kommt Trumps "Genozid"-Vorwurf?

Stand: 25.05.2025 14:45 Uhr

US-Präsident Trump behauptet, weiße Südafrikaner seien Opfer eines "Genozids" und bietet ihnen Flüchtlingsstatus an. Aber es gibt keinen Völkermord in Südafrika. Was also steckt hinter der Behauptung?

Die Südafrikaner hatten es kommen sehen. Der Hinterhalt, den US-Präsident Donald Trump legen wollte, war zu offensichtlich. Vor Wochen hatte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office abserviert und ihn dann aus dem Weißen Haus geworfen. Ähnliches hatte er am Mittwoch wohl mit dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa vor.

Aber Ramaphosa ließ das nicht mit sich geschehen. Mit Gelassenheit und staatsmännischer Ruhe ließ er die rüden Attacken Trumps an sich abperlen, lud ihn für Ende November zu einem Besuch in Südafrika ein, legte Wert auf Gespräche mit allen Seiten.

Trump machte stur weiter, zeigte ein Video, das den vermeintlichen Völkermord belegen sollte. Mit falschen Behauptungen.

Woher stammt die Behauptung?

Der US-amerikanische Präsident erhob den Vorwurf des Völkermords an weißen Südafrikanern nicht zum ersten Mal. Seit Wochen wiederholt er ihn ständig, ohne Beweise zu liefern. Echte Beweise könnte er auch nicht liefern. Denn es gibt keinen Völkermord in Südafrika - an niemandem.

Es ist unklar, warum genau Trump dies glaubt. Vielleicht hat der gebürtige Südafrikaner und Trump-Berater Elon Musk ihn davon überzeugt. Musk will in Südafrika Geschäfte machen und kommt damit nicht wirklich weiter.

Auch haben rechtsextreme Medien immer wieder ihre Verschwörungstheorien verbreitet und behauptet, weiße Menschen in Südafrika würden gezielt verfolgt und getötet - mit dem Ziel, diese Volksgruppe auszulöschen. Doch das stimmt nicht.

Reuters widerlegt angeblichen Mord-Beleg
Unter den Zetteln, die Trump während des Treffens mit Präsident Ramaphosa als vermeintlichen Beleg für die Dokumentation ermordeter weißer Farmer hochhielt, befindet sich nach Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters auch ein ausgedrucktes Bild aus einem Video der Nachrichtenagentur, das in der Demokratischen Republik Kongo aufgenommen wurde. Das Video wurde von Reuters am 3. Februar 2025 veröffentlicht und zeigt Leichensäcke, die während eines Massenbegräbnisses in der Stadt Goma bestattet wurden. Journalist Djaffar Al Katanty hat die Aufnahmen für Reuters angefertigt und ihren Ursprung bestätigt. Trump behauptet dazu: "Das sind alles weiße Farmer, die beerdigt wurden", während er das ausgedruckte Bild als Beleg hochhält. Das Weiße Haus hat nach Darstellung von Reuters bisher nicht auf eine Anfrage zu der Widerlegung von Trumps Behauptung reagiert.
Weiße Kreuze sollen auf einem Privatgrundstück in Polokwane an getötete weiße Farmer erinnern

Weiße Kreuze, wie hier beim Witkruis Monument, sollen symbolisch für getötete Farmer stehen. Das Denkmal, das sich auf einem Privatgrundstück befindet, ist höchst umstritten. Laut offiziellen Statistiken werden in Südafrika deutlich mehr schwarze Farmer ermordet als weiße.

Wer sind die "Afrikaaner"?

Unter vielen Weißen im Land gibt es eine Wagenburg-Mentalität, die eine lange Geschichte hat. Die Vorfahren vieler Südafrikaner kamen aus den Niederlanden, Mitte des 17. Jahrhunderts, gefolgt von Menschen aus anderen Ländern Europas. 1652 gründeten sie Kapstadt, als Zwischenstation für niederländische Schiffe zwischen Südostasien und Europa.

Die niederländischen Herrscher hatten nie Interesse daran, aus Südafrika eine Kolonie zu machen. Kapstadt war eine rein kommerzielle Unternehmung. Viele der Einwanderer aus Europa ließen sich aber im südlichen Afrika nieder und beabsichtigten nicht, wieder nach Europa zurückzukehren, das nach dem Dreißigjährigen Krieg in weiten Teilen zerstört war.

Die weißen Einwanderer entwickelten eine eigene Identität, nannten sich zunächst "Buren", nach dem niederländischen Wort für "Bauer". Schließlich aber nannten sie sich "Afrikaaner". Die Bezeichnung sollte deutlich machen, dass sie keine Absicht hatten, den afrikanischen Kontinent zu verlassen.

US-Präsident Trump wirft südafrikanischer Delegation bei USA-Besuch "Völkermord" an Weißen vor

Torben Börgers, ARD Washington, tagesthemen, 21.05.2025 22:15 Uhr

Äußere oder innere Emigration

Schließlich übernahmen sie 1948 sogar die Macht, errichteten ein unmenschliches System der Rassentrennung: "Apartheid" nannten sie es - "Getrenntheit". Die schwarze Mehrheit wurde unterdrückt, die weiße Minderheit perfektionierte ihre seit langem bestehende Wagenburg-Identität nach der Logik: "Alle sind gegen uns, wir müssen uns verteidigen."

Bei vielen Buren ist das heute noch Bestandteil der Identität. Erst 1990 kollabierte das Regime. 1994 wurde Südafrika wirklich demokratisch, wurde Nelson Mandela der erste demokratisch gewählte Präsident des Landes. Viele weiße Südafrikaner gingen in die innere oder in die äußere Emigration, wanderten etwa nach Australien aus oder kapselten sich innerhalb Südafrikas ab.

Doch in letzter Zeit wurden einige derjenigen, die sich weiterhin "Afrikaner" nennen, lautstärker. Die sozialen Medien verstärkten die Entwicklung, ebenso Musk mit seinen Aussagen zu seinem Geburtsland. Einige Weiße stilisieren sich als Opfer, manche glauben vielleicht tatsächlich, dass sie Ziel eines versuchten Völkermords sind. Politische Agitatoren machen sich das zunutze, auch in den USA.

Südafrikas Außenpolitik als eigentliches Ziel

Doch der eigentliche Grund für die US-amerikanischen Angriffe auf Südafrika ist ein ganz anderer. Südafrikas Regierung versucht seit geraumer Zeit, mehr Einfluss auf dem internationalen Parkett zu bekommen. Vielen in der Regierung unter Trump missfällt das - etwa, dass Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof Klage gegen Israel mit dem Vorwurf des Völkermords im Gazastreifen eingereicht hat.

Auch die Mitgliedschaft Südafrikas im Staatenverbund BRICS, dem unter anderem der Iran angehört, ist für die USA problematisch. Mit dem Iran dürfe man nicht verhandeln, so die USA. Gleiches gilt für die vermutete Nähe Südafrikas zu Russland und zu China.

Außerdem gab es diplomatischen Streit aufgrund von Kritik an Trump. Der südafrikanische Botschafter in den USA war wegen Trump-kritischer Äußerungen vor einigen Wochen des Landes verwiesen worden.

Die erneuten Behauptungen zum angeblichen Völkermord verschärfen die Spannungen weiter. Ein Ende ist nicht abzusehen.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 21. Mai 2025 um 22:15 Uhr.