Frauen gehen in einem Dorf im indisch kontrollierten Kaschmir an einem gesprengten Haus vorbei, das laut offiziellen Angaben einem Mann gehört, der in den tödlichen Angriff in Pahalgam verwickelt sein soll

Indien und Pakistan Wie die Lage zwischen den Atommächten eskaliert

Stand: 25.04.2025 14:29 Uhr

Ausweisungen, Proteste, Schusswechsel: Nach dem Anschlag in Kaschmir verschärft sich das schwierige Verhältnis zwischen Indien und Pakistan. Das führt auch zu Vergeltung ohne Gerichtsurteil.

Jasmina sitzt da und versteht die Welt nicht mehr. "Als ich gestern von meinen Schwiegereltern hierherkam, fand ich meine Eltern und Geschwister nicht zu Hause vor. Die Polizei hatte sie alle abgeführt. Während ich hier war, kamen Sicherheitskräfte und forderten mich auf, zum Nachbarhaus zu gehen."

Jetzt sitzt die junge Frau da mit verhülltem Gesicht und erzählt einem Reporter der Nachrichtenagentur ANI, was ihr passierte. Ja, ihr Bruder sei ein Mujahideen, ein Gotteskrieger, aber sie und ihre Familie, sie hätten doch nichts getan. "Ich sah einen Mann in Tarnuniform, der einen bombenähnlichen Gegenstand auf dem Dach des Hauses platzierte. Danach wurde das Haus demoliert. Wir sind unschuldig. Sie haben unser Haus zerstört", sagt sie.

"Neue Eiszeit", Christian Wagner, Stiftung Wissenschaft und Politik, zum Konflikt zwischen Indien und Pakistan

tagesthemen, 25.04.2025 21:45 Uhr

Vergeltung ohne Gerichtsurteil

Jasminas Bruder, den sie Gotteskrieger nennt, sei schlicht und einfach ein Terrorist, so sehen es die indischen Behörden. Er sei beteiligt gewesen an dem blutigen Terroranschlag, bei dem 26 Menschen regelrecht hingerichtet wurden, zumeist Urlauber. Die Täter sollen Verbindungen haben zu Laskar-e-Taiba, der Terrorgruppe, die 2008 die Anschläge von Mumbai mit fast 170 Toten verübt hatte. Damals ließ sich die Spur nach Pakistan verfolgen. Jetzt sei es ebenso, sagt die indische Seite. Pakistan weist das zurück.

Trotzdem übt Indien schon Vergeltung an den mutmaßlichen Tätern, ohne Gerichtsurteil allerdings. Sicherheitskräfte zerstörten deshalb in Kaschmir das Haus, in dem Jasminas Bruder lebte, und auch das eines anderen Beschuldigten. Die Männer sind noch auf der Flucht.

Die Wut kocht hoch gegen die Attentäter und gegen Pakistan. Immer wieder gibt es Proteste, mehr oder minder spontan, wie am Morgen in Delhi von der Jugendorganisation der oppositionellen Kongresspartei. Die Abscheu gegen das, was passiert ist, kennt keine Parteigrenzen.

Pakistan spricht von "Kriegsakt"

Zudem wird gemeldet, dass Indiens Innenminister Amit Shah sich mit den Innenministern der indischen Bundesstaaten trifft. Es geht darum, pakistanische Staatsangehörige erst zu identifizieren und dann ihre Ausweisung durchzusetzen.

Indien hatte verfügt, dass alle Pakistaner das Land verlassen müssen - eine von mehreren Strafmaßnahmen gegen Pakistan. Die Schließung der Grenze und die Ausweisung von Diplomaten sind weitere. Vor allem die Aussetzung des Indus-Wasservertrages rief heftige Reaktionen aus Pakistan hervor.

Pakistan weise die indische Ankündigung, den Indus-Wasservertrag auszusetzen, entschieden zurück, so der Sprecher des Außenministeriums, Shafqat Ali Khan. "Der Vertrag ist ein verbindliches internationales Abkommen, das von der Weltbank vermittelt wurde und keine einseitige Aussetzung vorsieht." Wasser sei ein vitales nationales Interesse Pakistans - "eine Lebensader für seine 240 Millionen Einwohner, und seine Verfügbarkeit muss um jeden Preis gewährleistet sein".

Jeder Versuch, den Wasserfluss nach Pakistan gemäß des Indus-Wasservertrages zu stoppen oder umzuleiten, werde als "kriegerischer Akt" betrachtet, so der Sprecher weiter. Dies werde "mit aller Macht und allen unseren Mitteln beantwortet."

UN bemühen sich um Deeskalation

Pakistan hat alle Inder ausgewiesen und die Grenze geschlossen. Für indische Airlines ist zudem der pakistanische Luftraum gesperrt und der Handel mit Indien ausgesetzt. In der Nacht gab es gar ein Scharmützel an der Grenzlinie zwischen dem pakistanisch und dem indisch kontrollierten Teil von Kaschmir. Es sei scharf geschossen worden, bestätigten beide Seiten, verletzt worden sei aber niemand.

Die UN jedenfalls haben schon beide Atommächte aufgefordert, maximale Zurückhaltung zu zeigen. Die Situation dürfe nicht weiter eskalieren.

Peter Hornung, ARD Neu-Delhi, tagesschau, 25.04.2025 12:46 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 25. April 2025 um 09:00 Uhr.