
Atlas der Zivilgesellschaft Die Freiheit wird angegriffen - auch in Europa
Demokratie und Menschenrechte werden weltweit immer mehr eingeschränkt. Die EU-Staaten sind davon nicht ausgenommen, wie der neue Atlas der Zivilgesellschaft zeigt. Auch Deutschland und die Niederlande gelten als "beeinträchtigt".
Nur 3,5 Prozent der Bevölkerung in 40 Staaten der Welt leben nach einer Untersuchung von zivilgesellschaftlichen Organisationen uneingeschränkt in Freiheit. Ein Großteil der Menschen ist hingegen in seinen Rechten eingeschränkt, wie aus dem neuen Atlas der Zivilgesellschaft des evangelischen Hilfswerks Brot für die Welt hervorgeht. Das gilt massiv für repressive Regime - aber teilweise auch für Staaten in Europa.
Für den jährlich erscheinenden Atlas stützt sich Brot für die Welt auf Daten, die das Netzwerk Civicus bei zivilgesellschaftlichen Organisationen weltweit erhoben hat. Staaten werden darin in fünf Kategorien eingeteilt, wichtige Kriterien für die Bewertung sind etwa die Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit. Nur zwölf der 27 EU-Staaten ordnete Civicus in die beste Kategorie "offen" ein - also dort, wo Länder alle zivilgesellschaftlichen Freiheiten garantieren.
Deutschland erneut nur in zweitbester Kategorie
13 weitere EU-Staaten schafften es hingegen lediglich in die zweite Kategorie "beeinträchtigt" - darunter auch Deutschland und die USA. Die Rechte zur Versammlungs- oder Meinungsfreiheit werden hier überwiegend geachtet, es kommt aber zu Verletzungen.
Die Herabstufung Deutschlands, die schon mit dem vorigen Bericht erfolgte, begründet Brot für die Welt unter anderem mit dem harten Vorgehen gegen die Klima-Protestgruppe Letzte Generation und zunehmender Gewalt gegen Journalisten.
Auch die Niederlande fielen im diesjährigen Bericht in diese Kategorie zurück: Friedliche Klima-Demonstrationen seien dort mit "unverhältnismäßigen Maßnahmen", etwa mit Wasserwerfern, aufgelöst worden; auch bei Solidaritätsveranstaltungen für Palästina seien Demonstrierende attackiert worden. Zudem habe es Massenüberwachungen von Aktivisten gegeben, kritisiert Civicus.
"Beschränkte" Rechte auch in der Ukraine
In Europa tauchen außerdem Staaten auf, die sogar als "beschränkt" gelten. Darunter sortiert der Atlas der Zivilgesellschaft Griechenland, Großbritannien, Ungarn und auch die Ukraine ein. Zivilgesellschaftliche Organisationen würden schikaniert, die Polizei gehe häufig mit Gewalt gegen Versammlungen vor.
Insgesamt neun Länder haben sich in ihrer Einstufung verschlechtert - darunter auch Georgien, das jetzt als "beschränkt" gilt. Das Land ist eigentlich ein anerkannter EU-Beitrittskandidat, der Prozess wurde von der Union aber auf Eis gelegt.
In Georgien wurde ähnlich wie in Russland im vergangenen Jahr ein "Gesetz zur Transparenz ausländischer Einflussnahme" verabschiedet. Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, müssen sich als "ausländische Agenten" registrieren, sonst drohen hohe Strafen. Die Regierung gehe zudem mit zunehmender Härte gegen liberale, pro-europäische Proteste vor, heißt es.
Verbesserungen in Slowenien und Polen
Weitere Verschlechterungen registriert Civicus in Burkina Faso, Kenia, Peru, Äthiopien, Eswatini, der Mongolei und den Palästinensischen Gebiete. Neun Länder haben sich verbessert: Jamaika, Japan, Slowenien, Trinidad und Tobago, Botswana, Fidschi, Liberia, Polen und Bangladesch.

Als "unterdrückt" stuft die Untersuchung 51 Staaten ein, die 42,6 Prozent der Menschen auf der Erde abdecken. Hier würden Regierungen Kritiker überwachen, inhaftieren oder töten, es gäbe Zensur. Unter anderem Algerien, Mexiko, die Türkei und Thailand führt der Bericht hier auf.
Besonders drastisch ist die Lage in "geschlossenen" Ländern wie Russland, Belarus, den Palästinensischen Gebieten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Nordkorea, Vietnam und 23 weiteren Ländern. "Es herrscht eine Atmosphäre der Angst", heißt es zur Erklärung.
Präsidentin Pruin fordert zum Handeln auf
"Demokratie und Menschenrechte werden weltweit in einer Weise angegriffen, wie wir es seit Jahrzehnten nicht erlebt haben. Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Schutz vor staatlicher Willkür sind in immer mehr Ländern bedroht oder gar nicht mehr vorhanden", erklärte die Präsidentin von Brot für die Welt, Dagmar Pruin.
Die Zivilgesellschaft sei mehr denn je gefordert. Ihr Einsatz sei aber nur möglich, wenn rechtsstaatliche Prinzipien gelten. Auch die Bundesregierung müsse handeln, forderte Pruin: "Sie muss sich kompromisslos für eine unabhängige und freie Zivilgesellschaft einsetzen - im In- und Ausland."