
Angekündigte Waffenruhe "Putin möchte Donald Trump beeindrucken"
Was steckt hinter Putins angekündigter Waffenruhe? Unklar, meint Sicherheitsexperte Lange. Waffenruhen ankündigen und nicht einhalten sei ein Spiel, das der Kremlchef schon seit 2014 spiele - und aktuell gehe es dabei vor allem um US-Präsident Trump.
tagesschau24: Trotz der Ankündigung von Russlands Präsident Wladimir Putin gehen die Bombardierungen weiter, meldet die Ukraine. Was gilt denn dann Putins Wort?
Nico Lange: Nichts. Man kann Putin nicht glauben, das wissen wir auch. Und wir haben dieses Spiel schon sehr oft gesehen. Putin kündigt einen Waffenstillstand an und dann beschuldigt er die Ukraine, sie hätten den Waffenstillstand gebrochen - so hat er leider keine Wahl und muss weiterkämpfen. Seit 2014 im Donbass spielt Putin dieses Spiel und leider wird immer wieder darüber berichtet, als könne man Putin glauben und als sei seine Ankündigung irgendetwas wert.

tagesschau24: Was könnte dann hinter Putins Vorschlag der Waffenruhe stehen?
Lange: Putin möchte Donald Trump beeindrucken. Er möchte sicherlich auch die Meldung in der Welt haben, dass er zu Ostern einen Waffenstillstand ausgerufen hat. Putin ist jemand, der hat noch vor einer Woche am Palmsonntag ballistische Raketen auf Menschen schießen lassen, die zu einem Gottesdienst unterwegs waren. Da kann man mal sehen, wie verlogen das ist.
Seit mehr als einem Monat hat die Ukraine sich dazu bereit erklärt, einen Waffenstillstand ohne Bedingungen einzugehen. Putin hat das nicht angenommen. Jetzt spricht er von 30 Stunden. Ich finde es richtig, dass der ukrainische Präsident Selenskyj vorgeschlagen hat: "Ja, dann lass uns das doch auf 30 Tage erweitern. Dann werden wir ja sehen, ob du es ernst meinst." Das werden wir, glaube ich, in wenigen Stunden schon erfahren, was wirklich Putins Absichten sind.
"Waffenruhe gibt es nur virtuell"
tagesschau24: Könnte Putin die Waffenruhe auch für eine weitere Offensive nutzen, wie er das schon mal gemacht hat?
Lange: Die Waffenruhe gibt es ja nur virtuell. Also Putin hat sie angekündigt und Agenturen haben das überall auf der Welt vermeldet. An der Front geht es weiter wie vorher. Da hat er in den letzten 24 Stunden gar keinen Unterschied erkennen lassen. Putin will weiter angreifen. Er hat dafür Pläne. Er hat ja auch in Richtung Sumy, in andere Richtungen vor, neue Angriffe zu starten.
Es gibt keine Anzeichen, dass Putin wirklich einen Waffenstillstand will. Er könnte es ja sofort machen. Das könnte er schon seit einem Monat, seit die Ukraine dazu bereit ist. Und man muss sich fragen: Warum macht Putin das eigentlich nicht? Putin hat im Moment den großen Vorteil, dass man leider den Eindruck haben muss, dass die USA unter Präsident Trump auf seiner Seite stehen.
"Putin hat Interesse daran, dass es Ukraine nicht mehr gibt"
tagesschau24: Hat der russische Präsident denn überhaupt ein Interesse an einer echten Waffenruhe?
Lange: Putin hat ein Interesse daran, dass es die Ukraine nicht mehr gibt. Und er wird weiter kämpfen lassen, um dieses Ziel zu erreichen. Oder er wird es politisch versuchen, wenn die USA ihm dabei helfen. Leider gibt es niemanden, der Putin gerade unter Druck setzt, sodass er wirklich an den Tisch kommen müsste, um ernsthaft zu reden. Es wird immer von Diplomatie gesprochen. Aber die Wahrheit ist: Diplomatie kann bei Putin nur funktionieren, wenn man stark ist. Aber weder die USA noch die Europäer üben den notwendigen Druck auf Putin dafür aus.
tagesschau24: Und in welcher Phase des Krieges befinden wir uns jetzt gerade vor dem Hintergrund, dass man aus Washington hört, die USA würden sich aus den Bemühungen zur Lösung des Ukraine-Krieges zurückziehen, falls Russland oder die Ukraine eine Beendigung des Konflikts zu schwierig machen sollten.
Lange: Das ist nicht so einfach zu sagen. Wir versuchen immer so zu denken und gehen auch so an das Problem heran, als wären wir kurz vor dem Ende dieses Krieges. Wir wissen aber nicht: Sind wir noch am Anfang, sind wir in der Mitte oder sind wir am Ende? Das hängt jetzt auch davon ab, ob die Europäer in der Lage sind, Putin zum Frieden zurückzudrängen und dann auch dauerhaft Frieden in Europa zu sichern.
Da gibt es ja einige Staaten, die sich zu einer sogenannten Koalition der Willigen gerade zusammenfinden, die bereit sind, ernsthaft was zu machen. Es gibt aber ehrlich gesagt auch viele andere, die immer nur abwarten und gucken, was Putin macht und hoffen, dass das Ganze irgendwie von alleine aufhört. Da gehört Deutschland leider teilweise auch dazu. Hoffentlich ändert sich das mit der neuen Bundesregierung.
"Europäer werden es allein lösen müssen - ohne die USA"
tagesschau24: Die Ukraine-Gespräche sollen nächste Woche in London fortgesetzt werden, heißt es. Was ist da zu erwarten?
Lange: Es liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, der weitgehend aus russischen Entwürfen stammt, den die Amerikaner vertreten. Der sagt im Grunde: Die Ukraine soll Gebiete abgeben, es sollen in der Ukraine Wahlen stattfinden. Das ist auch okay. Aber ich glaube, die Russen und die Amerikaner verbinden damit die Hoffnung, dass da vielleicht etwas anderes herauskommt als jemand, der sehr stark die Souveränität der Ukraine verteidigt. Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Es gibt keine Aussagen zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
Und die USA scheinen zu sagen: Entweder nimmt man jetzt dieses schlechte Angebot an, unwissend was das eigentlich dauerhaft bedeutet, weil Putin ja seine Ziele aufrechterhält. Oder die USA machen eben nichts mehr und das Problem bleibt allein bei den Europäern. In dieser Situation sind wir gerade. Umso mehr braucht es eine neue deutsche Bundesregierung, damit die Europäer da eine gemeinsame Position entwickeln können, weil sie werden es allein lösen müssen - ohne die USA.
Das Gespräch führte Kirsten Gerhard für tagesschau24. Es wurde für die schriftliche Fassung angepasst.