
Krieg in Nahost Israel greift Ziele in Teheran an - auch das Ewin-Gefängnis
Die israelische Armee hat eigenen Angaben zufolge das berüchtigte Ewin-Gefängnis in Teheran angegriffen. Dort sitzen Oppositionelle des iranischen Regimes ein. Zudem blockierte das Militär mit Luftangriffen die Zufahrtswege zur Atomanlage Fordo.
Israel setzt seine massiven Angriffe auf den Iran fort. Die israelische Luftwaffe greife derzeit "mit beispielloser Kraft Ziele des Regimes und Einrichtungen der Unterdrückung durch die Region im Herzen von Teheran" an, erklärte Verteidigungsminister Israel Katz. Israels Armee hat nach eigenen Angaben Zugangswege zur iranischen Uran-Anreicherungsanlage Fordo angegriffen. Ziel war es demnach, die Zufahrten zu blockieren. Weitere Details nannte das Militär bislang nicht.
Iranische Medien hatten zuvor unter Berufung auf Behörden gemeldet, die Anlage sei erneut zum Ziel eines Luftangriffs geworden. Dabei war zunächst unklar geblieben, von wem der Angriff ausgeführt wurde. Israels Armee äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht dazu, ob auch die Anlage selbst getroffen wurde.
Atomenergiebehörde geht von großen Schäden in Fordo aus
Die USA hatten die tief in einem Berg verborgene Anlage in der Nacht zum Sonntag mit B-2-Kampfjets und bunkerbrechenden Bomben attackiert. Dabei sei kein großer Schaden entstanden, hieß es nun in einer Meldung der den iranischen Revolutionsgarden nahestehenden Nachrichtenagentur Tasnim.
US-Präsident Donald Trump hatte hingegen gesagt, sie sei zerstört worden. Auch aus Sicht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wurde die Anlage wohl schwer beschädigt. "Angesichts der verwendeten Sprengladung und der extremen Vibrationsempfindlichkeit der Zentrifugen ist mit erheblichen Schäden zu rechnen", sagte IAEA-Chef Rafael Grossi in einer Dringlichkeitssitzung.

Ein Satellitenbild von Planet Labs PBC zeigt die Atomanlage Fordo nach den US-Angriffen.
Attacke auf Gefängnis in Teheran
Das israelische Militär flog zudem erneut Luftangriffe auf Irans Hauptstadt. Laut israelischen Angaben wurde das berüchtigte Ewin-Gefängnis in Teheran attackiert, in dem zahlreiche Oppositionelle einsitzen.
Die Ewin-Haftanstalt ist seit Jahrzehnten als Ort gravierender Menschenrechtsverletzungen verschrien - und im Iran gefürchtet. Der staatliche iranische Nachrichtensender Fars veröffentlichte das Video einer Überwachungskamera, das den Einschlag an einem Eingang des Gefängnisses zeigen soll. Demnach kam dabei wohl eine Drohne oder ein Geschoss mit begrenzter Sprengkraft zum Einsatz.

Das Archivbild zeigt den Eingang des Ewin-Gefängnisses in Teheran.
Die Armee habe außerdem Einrichtungen der Iranischen Revolutionsgarden bombardiert, so Katz. Unabhängig überprüfen lassen sich die israelischen Angaben derzeit nicht.
Iran: Situation unter Kontrolle
Der Nachrichtenagentur Tasnim zufolge bestätigte die Justizvollzugsbehörde in Teheran den Angriff auf das Gefängnis. Dabei sei es in Teilen beschädigt worden. Die Situation sei aber unter Kontrolle. Über Verletzte, Tote oder fliehende Inhaftierte gibt es bislang keine Angaben. Die Times of Israel mutmaßte, der Angriff habe darauf abgezielt, den Gefangenen die Flucht zu ermöglichen. Eine Bestätigung dafür gibt es bislang nicht.
Die israelische Armee erklärte zudem, sie habe Kommandozentralen der Revolutionsgarden und anderer iranischer Sicherheitskräfte ins Visier genommen. Diese seien verantwortlich dafür, "die Stabilität des Regimes aufrechtzuerhalten". Iranische Medien berichteten von israelischen Angriffen auf die Stromversorgung in Teheran, was zu zahlreichen Blackouts geführt habe.
Raketenangriffe aus dem Iran gemeldet
Der Iran griff ebenfalls erneut Israel an. Die Flugabwehr sei im Einsatz, um die Gefahr abzuwehren, so die israelische Armee. In mehreren Gegenden im gesamten Land gab es Raketenalarm, darunter in Tel Aviv und Jerusalem. Such- und Rettungskräfte seien an mehreren Orten im Einsatz, in denen eingeschlagene Geschosse gemeldet worden seien, hieß es weiter. Berichte über Verletzte gibt es bislang nicht.
Der staatliche Stromversorger teilte mit, nach einem Raketeneinschlag in der Nähe einer wichtigen Infrastrukturanlage gebe es in einigen Orten im Süden des Landes Stromausfälle.
Die der iranischen Revolutionsgarden nahestehende Nachrichtenagentur Tasnim meldete am Morgen, es seien in zwei Wellen Dutzende Drohnen verschiedener Art auf Israel abgefeuert worden. Später berichtete das Sprachrohr der iranischen Eliteeinheit, es seien neben Drohnen erstmals Raketen eines neuen Typs mit mehreren Sprengköpfen zum Einsatz gekommen. Unabhängig überprüfen lassen sich die iranischen Angaben derzeit nicht.
Netanjahu: "Kommen Zielen näher"
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu sagte in einer Pressekonferenz, man wolle sich nicht in einen Abnutzungskrieg ziehen lassen. "Aber wir werden diese historische Offensive auch nicht beenden, bevor nicht alle unsere militärischen Ziele erreicht sind", sagte er. Welche Ziele Israel im Iran im Einzelnen verfolgt, erläuterte er nicht. Ebenso unklar ist, wie weit Israel beim Erreichen dieser Ziele ist.
Er habe "keinen Zweifel daran, dass das iranische Regime uns vernichten will", sagte Netanjahu. Konkrete Beispiele oder Belege nannte er an dieser Stelle nicht. "Sie wollen unsere Existenz auslöschen. Deshalb haben wir diese Operation eingeleitet, um die nukleare Bedrohung und die Bedrohung durch ballistische Raketen zu beenden. Wir kommen diesen Zielen Schritt für Schritt näher."
IAEA fordert Klarheit über Status von Uran
IAEA-Chef Grossi forderte unterdessen vom Iran Klarheit über den Verbleib von nuklearem Material. Er wies auf entsprechende Verpflichtungen Teherans hin.
Irans Außenminister Abbas Araghtschi habe am ersten Tag der israelischen Angriffe Schutzmaßnahmen für Atom-Material und nukleare Geräte angekündigt, sagte Grossi. Der mögliche Transport von Atom-Materialien müsse der IAEA gemäß dem verbindlichen Inspektionsabkommen zwischen der Atombehörde und dem Iran gemeldet werden.
Iran: Mehr als 400 Tote
Bei den am 13. Juni begonnenen israelischen Angriffen sind nach iranischen Angaben bislang mehr als 400 Menschen getötet worden, zumeist Zivilisten. Die iranischen Schläge mit Raketen auf Israel töteten bislang 24 Menschen und verletzten Hunderte.
Die Fähigkeit des Irans zur Vergeltung gilt jedoch nach den israelischen Angriffen als begrenzt. Die Drohungen des Irans, die Straße von Hormus zu sperren, durch die 20 Prozent des weltweiten Öltransports laufen, zeigen bislang kaum Wirkung auf die Märkte. Nach einem kurzen Anstieg fiel der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent zeitweise und notierte zuletzt mit einem leichten Plus von 0,5 Prozent bei 77,38 Dollar. Analysten zufolge kann der aktuelle Risikoaufschlag von über zehn Dollar pro Barrel ohne eine tatsächliche Lieferunterbrechung nicht lange aufrechterhalten werden.
Rubio: Blockade von Hormus "wirtschaftlicher Selbstmord"
US-Außenminister Marco Rubio bezeichnete eine Blockade der Meerenge als "wirtschaftlichen Selbstmord" für den Iran. "Wir behalten uns Optionen vor, um damit umzugehen", sagte er. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin mahnte, alle Seiten sollten jetzt von einer weiteren Eskalation absehen. Mit Blick auf die Straße von Hormus sagte er, man verfolge die Entwicklung "mit enormer Besorgnis". Die Öl- und Gasversorgung Deutschlands ist nach Angaben von Regierungssprecher Stefan Kornelius aber gesichert. Die Bundesregierung sei kurz nach Beginn der US-Angriffe über die Vorgänge informiert worden, sagte er zudem.
Mit Informationen von Julio Segador, ARD-Studio Tel Aviv.