Eine Frau sitzt im Homeoffice am Küchentisch und arbeitet an einem Laptop

Kritik an "Life-Life-Balance" CDU legt in Arbeitszeit-Debatte nach

Stand: 25.05.2025 16:43 Uhr

Die Debatte, ob die Deutschen genug arbeiten, reißt nicht ab. CDU-Generalsekretär Linnemann fordert mehr Einsatz zum Erhalt des Wohlstandes. SPD-Chef Klingbeil will Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen steuerlich entlasten.

"Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten." Mit diesem Satz in seiner ersten Regierungserklärung hat Bundeskanzler Friedrich Merz eine öffentliche Debatte ausgelöst, die die Parteien auch anderthalb Wochen später intensiv beschäftigt.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat nun den Vorstoß seines Parteichefs verteidigt und die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, mehr Einsatz zur Erhaltung des Wohlstands zu zeigen. "Unser Wohlstand, unsere sozialen Sicherungssysteme, aber auch die Funktionsfähigkeit unseres Landes beruhen darauf, dass wir produktiv sind", sagte Linnemann dem Redaktionsnetzwerk (RND) Deutschland.

Work-Life-Balance sei nichts Verwerfliches, so der CDU-Politiker. "Aber man hat manchmal den Eindruck, dass es nicht mehr um Work-Life-Balance geht, sondern um Life-Life-Balance." Merz hatte in seiner Rede im Bundestag eine "gewaltige Kraftanstrengung gefordert und auf dem CDU-Wirtschaftstag vorher gesagt: "Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können."

Für junge Menschen gelte: "Es ist wichtig, erstmal eine Ausbildung zu machen und einen Beruf zu erlernen. Da müssen wir wieder hinkommen: Sich etwas selbst zu erarbeiten", so Linnemann weiter.

Ende des Acht-Stunden-Tags?

Die Aussagen des Kanzlers waren auf deutliche Kritik etwa bei den Gewerkschaften und der Linken gestoßen. Kritiker wiesen auch darauf hin, dass viele Frauen wegen fehlender Kinderbetreuungsangebote nur halbtags arbeiteten.

Laut dem Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot soll eine wöchentliche Höchstarbeitszeit den Acht-Stunden-Tag ablösen. Linnemann sagte dem RND, eine Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit sei "vor allem für Familien mit Kindern oder mit pflegebedürftigen Familienangehörigen von Bedeutung". Auch die von der Koalition geplante sogenannte Aktivrente werde dazu beitragen, die Produktivität zu stärken.

Marburger Bund lehnt wöchentliche Höchstarbeitszeit ab

Sollte der Acht-Stunden-Tag durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ersetzt werden, könnte das Beschäftigte stark belasten, kritisiert der Ärzteverband Marburger Bund. Schon jetzt seien die Beschäftigten stark beansprucht. "Die gesetzlichen und tariflichen Regelungen sind Maßnahmen zum Schutz, die bewahrt werden müssen", erklärte der Ärzteverband weiter. Er verwies darauf, dass es im Arbeitszeitgesetz schon jetzt einige Ausnahmen gebe, mit denen es möglich sei, die tägliche Höchstarbeitszeit auch auf Basis tarifvertraglicher Regelungen zu überschreiten.

Aktuell ist die Arbeitszeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf acht Stunden pro Tag begrenzt. In Ausnahmefällen ist eine Verlängerung auf bis zu zehn Stunden möglich, zum Beispiel, wenn dies später wieder ausgeglichen wird. Für die Wochenarbeitszeit gilt zudem eine Obergrenze von 48 Stunden - auch hier gibt es allerdings Ausnahmeregelungen.

Merz: Jüngere arbeiten sehr viel

Im Vergleich mit anderen wirtschaftsstarken Nationen arbeiten deutsche Arbeitnehmer relativ wenige Stunden, wie eine Auswertung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt. Unter anderem wegen unterschiedlicher Teilzeitquoten halten Experten solche Vergleiche aber für nur bedingt aussagekräftig.

Kanzler Merz hatte seine Aussagen am Mittwoch etwas relativiert: "Wir können nicht so ganz pauschal sagen, die Deutschen arbeiten zu wenig", sagte er in einer Ansprache auf dem Tag der Bauindustrie. Es gebe zwar in der Summe ein zu geringes Arbeitsvolumen. "Aber wir haben in Deutschland Gruppen, vor allen Dingen unter den Jüngeren, die sehr, sehr viel arbeiten", fügte der CDU-Chef hinzu. "Wir haben Millionen von Überstunden." Und in einigen Branchen gebe es "wirklich eine sehr, sehr hohe Arbeitsbelastung".

Arbeitsbereitschaft und Arbeitszeit gingen jedoch mit zunehmendem Lebensalter zurück. Man müsse aufpassen, dass die Menschen, die noch leistungsfähig seien und arbeiten wollten, auch noch unter vernünftigen Bedingungen arbeiten könnten.

SPD: Familien müssen entlastet werden

Die Arbeitszeiten-Debatte dürfte auch Thema beim ersten Koalitionsausschuss der Regierungsparteien sein, zu dem sich CDU, CSU und SPD voraussichtlich kommende Woche treffen. Die SPD hatte sich zuletzt zwar auch für die Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit ausgesprochen, doch die jüngsten Bemerkungen Linnemanns gehen einigen Sozialdemokraten offenbar zu weit.

"Statt Menschen Faulheit zu unterstellen und über Sozialkürzungen zu diskutieren, braucht es endlich mehr Beteiligung hoher Einkommen am Gemeinwohl: bei Steuern wie bei Sozialversicherungen", sagte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt.

"Mehr Solidarität in Gesundheit und Pflege sowie ein Ende der Zwei-Klassen-Medizin sind die Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit", betonte sie. Wer mehr Erwerbsarbeit wolle, müsse Familien entlasten und unbezahlte Sorgearbeit fairer zwischen Männern und Frauen aufteilen.

Klingbeil gegen Entlastung von Top-Verdienern

Auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil betonte in der Bild am Sonntag "die hart arbeitenden Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen" sollten entlastet werden. Der SPD-Chef sprach sich gegen Vorteile für Top-Verdiener aus: "Ich finde es falsch, wenn Leute wie ich stärker entlastet werden als die Kassiererin im Supermarkt. Leute, die so viel verdienen wie ich, brauchen keine Entlastungen vom Staat."

Strukturreformen für Sozialversicherungen

Oberste Priorität bei der Aufstellung der Haushalte für das laufende und das kommende Jahr sei für ihn, "dass Deutschland auf Wachstumskurs kommt, wir Arbeitsplätze sichern. Dafür senken wir die Energiepreise, kurbeln Investitionen mit Super-Abschreibungen an."

Außerdem stellte Klingbeil Arbeitnehmern und Unternehmen stabile Beiträge bei den Sozialversicherungen in Aussicht: "Steigende Sozialversicherungsbeiträge sind ein Problem. Für die Arbeitnehmer, weil sie weniger Geld in der Tasche haben, für Unternehmen, weil sie höhere Lohnkosten haben." Beitragssprünge bei den Kranken- und Pflegekassen mit Zusatzmitteln aus dem Haushalt zu verhindern, sein keine Dauerlösung. "Wir brauchen Strukturreformen, um die Beiträge dauerhaft stabil zu halten", so Klingbeil.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 25. Mai 2025 um 10:00 Uhr.