Akten liegen auf einem Tisch.

Mecklenburg-Vorpommern Landratswahlen am 11. Mai in MV: So mächtig ist das Amt

Stand: 22.04.2025 05:01 Uhr

Zwei Frauen und 16 Männer bewerben sich in den Landkreisen Vorpommern-Rügen, Vorpommern-Greifswald, Mecklenburgische Seenplatte und Ludwigslust-Parchim um das Landratsamt. Das sind die Aufgaben eines Landrats.

Von Juliane Mau

Ein Dienstagmorgen im April. Landrat Sebastian Constien (SPD) aus dem Landkreis Rostock trifft zum Unternehmertag in einem Hotel in Rostock ein. Noch bevor er die Jacke ausziehen kann, beginnt er, Hände zu schütteln: mit dem Gastgeber, mit Rostocks Oberbürgermeisterin, der Presse, Lokalpolitikern, Unternehmern. Bereits vor dem ersten Kaffee hat er damit schon zwei von Dutzenden Landratsaufgaben erfüllt: Kontaktpflege und Repräsentieren.

Landrat Constien: "Es gibt keinen typischen Tag"

Anders als vier von sechs Landräten in Mecklenburg-Vorpommern steht Constien in diesem Jahr nicht zur Wahl - eine gute Gelegenheit, ihn zu begleiten und zu schauen, wie ein "typischer" Tag im Amt aussieht. Was macht ein Landrat eigentlich? Ist er so mächtig wie ein Bürgermeister? Ist er Politiker oder Verwalter? Fragen, die Constien nach zwölf Jahren im Amt wie kaum ein anderer beantworten kann. Doch das Wichtigste zuerst: "Es gibt keinen typischen Tag", stellt der 45-Jährige klar.

Heute ein Zehn-Stunden-Tag

Heute auf seinem Plan: bis zum Mittag auf dem Unternehmertag bleiben. Es geht um das Thema Energie. Dann folgt ein Dorfrundgang zum Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" in der Gemeinde Thulendorf gemeinsam mit dem Bürgermeister und einer Jury. Am späten Nachmittag wird er einer Dame zum 100. Geburtstag gratulieren und am Abend dem ehrenamtlichen Bürgermeister im 70 Kilometer entfernten Lohmen eine Ehrenmedaille für sein Engagement überreichen. Es ist ein Zehn-Stunden-Tag fernab vom Schreibtisch in der Güstrower Kreisverwaltung. Das komme selten vor, so Constien.

Landkreis von der Größe Mallorcas

"Ich bezeichne mich gern als Unternehmensleiter, weniger als Politiker. Wir haben ja eine riesige Verwaltung mit einem großen Dienstleistungsportfolio. Das muss alles vernünftig organisiert sein." Für mehr als 1.200 Mitarbeiter ist er verantwortlich in Deutschlands viertgrößtem Kreis von der Größe Mallorcas. Was zu seinen Aufgaben gehört, die der Landrat gemeinsam mit seinen Mitarbeitern erledigt, ist gesetzlich klar geregelt und unterteilt sich in zwei Bereiche.

Besonderheit: Person und Behörde

Zum einen hat der Landrat Aufgaben zu erfüllen, die er vom Land übertragen bekommt. Der Landrat ist - und das ist die Besonderheit - nicht nur eine Person sondern auch eine staatliche Verwaltungsbehörde. Er muss diese Aufgaben im sogenannten übertragenen Wirkungskreis umsetzen - egal, wie er politisch oder persönlich dazu steht. Dazu gehören etwa die kostenfreie Kita und die Unterbringung Geflüchteter. Einen Spielraum gibt es in diesem Bereich nicht.

Gestaltungsspielraum - wenn der Kreis es sich leisten kann

Zum anderen hat er eine Reihe von Aufgaben, die im ureigensten Interesse des Landkreises sind und ihn am Laufen halten. Einerseits sind es Pflichtaufgaben wie die Unterhaltung von Straßen, der Brandschutz, die Einrichtung von Krankenhäusern oder die Jugend- und Sozialhilfe. Andererseits sind es eine ganze Reihe sogenannter freiwilliger Aufgaben. Das sind etwa die Kultur- und Sportförderung oder die Unterstützung von Tourismus und Wirtschaft. Bei diesen Aufgaben hat der Landrat einen Gestaltungsspielraum - allerdings nur, wenn der Landkreis es sich leisten kann und die Kreistagsmitglieder den Vorschlägen zustimmen.

"Wichtig für den Wähler, zu differenzieren"

Wie in allen Kreisen des Landes werden die finanziellen Spielräume immer knapper. Doch noch kann Constien Akzente setzen: "Der Jugendsport ist mir persönlich wichtig", sagt er. "Das mag bei anderen Landräten anders sein. Der eine ist beispielsweise mit dem Wasserstoffthema unterwegs, der andere setzt einen anderen Schwerpunkt. Es ist schon wichtig für den Wähler, das zu differenzieren und zu entscheiden: Den Ansatz finde ich gut, das unterstütze ich."

Wählerauftrag: Mach was für die Region!

Könnte man diese Einflussmöglichkeit auch als Macht bezeichnen? Matthias Köpp vom Landkreistag Mecklenburg-Vorpommern ist bei so großen Worten zurückhaltend. Sein Verband vertritt die Belange der Landkreise gegenüber dem Land und dem Bund. Er sagt: "Der Landrat hat natürlich schon wichtige Aufgaben - von Abfallwirtschaft bis Waffenrecht. Das ist auf jeden Fall sehr verantwortungsvoll." Und er gibt zu bedenken: "Der Landrat hat auch eine hohe demokratische Legitimation. Das heißt, er wird ja direkt gewählt und hat vom Bürger den direkten Auftrag: Mach was für unseren Landkreis, für unsere Region!"

Seit 1990 zehn Frauen und 55 Männer ins Amt gewählt

Erfüllt ein Landrat diesen Wählerauftrag nicht, muss er um seine Wiederwahl bangen. In Mecklenburg-Vorpommern dauert die Amtszeit derzeit sieben Jahre. Doch eine Abwahl ist äußerst selten. Selten sind übrigens auch Frauen im Amt: Seit 1990 wurden zehn Frauen zur Landrätin und 55 Männer zum Landrat gewählt. Aktuell amtiert in allen sechs Kreisen jeweils ein Landrat. Auch bei der Wahl am 11. Mai kandidieren nur zwei Frauen und 16 Männer.

Kein Job für "normales" Familienleben

Als wir Constien zu seinem letzten Termin am Abend begleiten, hat er eine Idee, wie es zu dieser Unausgewogenheit kommen könnte. "Auch zu Hause klingelt das Telefon ständig und die Wochenenden sind häufig mit Terminen belegt. Ein normales Familienleben kann man als Landrat nicht führen." Es ist noch ein weiter Weg bis nach Hause. Der Feierabend beginnt heute wohl gegen 19 Uhr. Kreistage und Ausschusssitzungen enden meist sehr viel später. Dazu kommen Dienstreisen. In diesem Jahr war Constien unter anderem mit einer Delegation in Vietnam. Doch morgen geht es erstmal an den Schreibtisch. Bis 2027 kann er entscheiden, ob er ein drittes Mal kandidieren will.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 22.04.2025 | 16:00 Uhr