Nahaufnahme eines Frauengesichts mit viel Make-up, Diamantohrringen und einem Hut mit Schleier. Das Bild mutet alt an, es ist aus der Zeit der DDR.

Mecklenburg-Vorpommern Schönheit und Mode in der DDR: War Individualität möglich?

Stand: 05.06.2025 14:51 Uhr

Die Historikerin Dr. Stefanie Eisenhuth will herausfinden, ob es eine eigene Schönheitskultur in der DDR gegeben hat, und greift hierfür nicht nur auf Material und Aufzeichnungen aus Archiven zurück. Ihr Projekt "Schönheit für alle!" bezieht die Erfahrungen und Erinnerungen der Bürger:innen mit ein.

Von Moritz Schröder

Was in der DDR elegant und modisch sein sollte, das wollte das staatseigene Institut für Bekleidungsindustrie entscheiden - später das Modeinstitut. Die Bürokraten entwickelten Textilien wie zum Beispiel Lederol, "Präsent 20" und Dederon. Doch wer sich nicht nur chic, sondern vor allem individuell kleiden wollte - die oder der musste selbst kreativ werden. Kleider umnähen, T-Shirts besticken oder Jacken häkeln: Tipps gab es in "Pramo", "Sibylle" und "Saison". Staatliche Schönheitsideale und wie die Bevölkerung darauf reagiert hat - das ist das Thema von Historikerin Stefanie Eisenhuth in Greifswald.

Dabei nimmt sie auch die Fragen des Regimes in den Blick, zum Beispiel wie der neue Mensch, der den Sozialismus repräsentiert, aussehen sollte. "Es gab zwar viele Schriften, die sich damit auseinandersetzten, wie er sein sollte und welche Eigenschaften er haben würde," erklärt die Historikerin, "aber wie würde er sich kleiden? Haute Couture für alle? Heißt das dann auch, kosmetische Chirurgie für alle? Oder heißt das: Wir lehnen all das ab, weil über Mode kann man auch Status repräsentieren, und das sollte eine sozialistische Gesellschaft eigentlich nicht." Diese Debatten seien vor allem in den 50er- und frühen 60er-Jahren geführt worden, so Eisenhuth.

Eine blondgelockte Frau präsentiert auf einem Laufsteg ein grünes Kleid mit Taillengürtel und weißem Hut. Das Bild mutet alt an, es ist aus der Zeit der DDR.

Auch Mode hatte im Sozialismus eine Funktion: Das DDR-Regime wollte bestimmen, was auf dem Laufsteg ebenso wie im Alltag getragen wurde.

Natürlich gab es auch Jeans - aber man musste Glück haben

Für ihre Forschung wälzt sie Zeitdokumente. Hunderte Zeitschriften, Magazine, Bücher über Mode und Schönheit aus dem Ostblock. Wie es ausging weiß man heute: Haute Couture Fehlanzeige. Glücklich war, wer häkeln, nähen und stricken konnte - ganz im Gegensatz zum Westen. "Die größte Frage in meinem Projekt ist, ob es eine eigene Schönheitskultur in der DDR oder im Sozialismus gab", erklärt die Forscherin. Um das herauszufinden reist die 48-Jährige durch die Städte des Ostens. Greifswald war für ein Kleiderwerk bekannt. Hier wurden häufig Jacken, Mäntel und Hemden für den Westen produziert. Nicht einmal die Näherinnen durften etwas aus der Produktion behalten. Von historischem Wert sind insbesondere die Erfahrungen der Menschen in der Region. Eine Frau erinnert sich an ihr türkisfarbenes Jugendweihe-Kleid, dazu weiße Sandaletten und eine weiße, gehäkelte Stola. Natürlich habe es auch Modegeschäfte gegeben, erinnert sich ein Mann, und ebenso Jeans-Hosen. Nur habe man sich dafür eben anstellen müssen und dann hieß es: Glück haben oder leer ausgehen.

Vier Frauen gehen eine Straße entlang, sie sind von hinten zu sehen und tragen knielange Kleider in rot, blau, grün und apricot. Das Bild mutet alt an, es ist aus der Zeit der DDR.

Von knalligem Rot bis pastelligem Apricot, umgenäht und bestickt: Die DDR-Mode war die reinste DIY-Bewegung.

Männermode aus Präsent 20 und teure Wollanzüge vom Exquisit

Die Historikerin will diesen Erfahrungsschatz bergen. Bei ihren Vorträgen über Mode setzt sie auf die Mithilfe der Menschen: "Interviews sind für Historikerinnen eine wunderbare Ergänzung", sagt sie, "und oftmals auch ein Korrektiv für staatliche Überlieferungen aus dem Archiv." Wenn dann auch mal Männer ihre Schönheitspraktiken teilen, ist das ein besonderes Highlight für die Forscherin. Dann geht es um Erinnerungen an Shoppingtouren nach Polen, Männermode aus Präsent 20 und teure Wollanzüge vom Exquisit.

Nahaufnahme einer jungen Frau mit Dutt und eines jungen Mannes, der tanzt. Beide tragen blaue Pullover und sie eine gelbe Bluse, sowie er einen gelben Schal. Das Bild mutet alt an, es ist aus der Zeit der DDR.

Mit allen Mitteln wurden die Bürgerinnen und Bürger kreativ, um ihren individuellen Vorstellungen von Schönheit Ausdruck zu verleihen.

Schönheit und Mode in 40 Jahren DDR - die Geschichte schreibt Historikerin Dr. Stefanie Eisenhuth derzeit in einem Buch zusammen, das 2026 erscheinen soll. Für ihre Forschung hofft sie auf viele weitere Berichte und Erfahrungen aus dem ganzen Osten.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Nordmagazin | 04.06.2025 | 19:00 Uhr