Der Angeklagte im Landgericht Frankenthal

Rheinland-Pfalz Bad Dürkheim: Pfleger steckt Patientin Klopapier in Mund - Verfahren eingestellt

Stand: 23.04.2025 17:03 Uhr

Im Januar 2023 hatte ein Pfleger einer Patientin Klopapier in den Mund gesteckt, weil die Frau schrie. Er war zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Berufungsverfahren wurde nun überraschend eingestellt.

Es kommt wohl nicht häufig vor, dass ein Richter und ein Angeklagter jeweils eine Rolle Klopapier mit in den Gerichtssaal bringen, dass gleich mehrere Menschen im Gerichtssaal Klopapierblätter falten und eine Zeugin sich die Blätter auch noch in den Mund schiebt. Im Sitzungssaal 1 des Landgerichts Frankenthal ist am Mittwochvormittag genau das passiert - im Berufungsprozess gegen einen ehemaligen Pfleger einer Bad Dürkheimer Klinik.

Der 56-jährige Pfleger hatte einer bettlägerigen Patientin in der Klinik im Januar 2023 Klopapier in den Mund gesteckt, um ihre Schreiattacke zu beenden. Das Amtsgericht Bad Dürkheim hatte den Pfleger wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Staatsanwaltschaft und Verteidigung gingen in Berufung. Das Berufungsverfahren am Landgericht Frankenthal wurde jetzt überraschend eingestellt.

Angeklagter aus Bad Dürkheimer Klinik wollte Schreiattacke mit Klopapier beruhigen

Der Angeklagte arbeitete jahrelang als freiberuflicher Pfleger. Das heißt: Er wurde immer wieder von unterschiedlichen Kliniken angestellt. An seinem dritten Tag in der Klinik in Bad Dürkheim kam es zu dem Vorfall mit der Patientin. Die Frau hatte eine Schreiattacke. Um sie zum Schweigen zu bringen, hatte er ihr zusammengefaltetes Klopapier in den Mund gestopft. "Ich habe in meiner Ausbildung gelernt, dass man Schreiattacken mit Mundkeilen beruhigen kann", sagte er zu Beginn des Prozesses.

Ich wollte nie jemandem Schaden zufügen, never ever, niemals. Angeklagter Pfleger vor dem Landgericht Frankenthal

Weil er im Zimmer der Patientin nur eine Rolle Klopapier finden konnte, nahm er diese und faltete ein paar Blätter zusammen. "Ich wolle nie jemandem Schaden zufügen, never ever, niemals". Es ging ihm darum, die Frau von ihrer Schreiattacke zu befreien, sagte er.

Vor Gericht nahm der Pfleger eine vom Richter mitgebrachte Rolle Klopapier, er riss acht bis neun Blättchen ab, faltete sie sorgfältig zusammen. Etwa ein bis zwei Zentimeter habe er der Patientin das Klopapier in den Mund geschoben, sagte er Angeklagte. Danach pflegte er sie weiter, legte die Frau um, kurz darauf verließ er das Zimmer. "Ich bin davon ausgegangen, dass das Klopapier draußen war", sagte er.  

Zwei Pflegerinnen aus Bad Dürkheimer Klinik sind Zeuginnen

Doch der Pfleger vergaß das Klopapier im Mund der Patientin. Die Frau war nicht in der Lage, es selbst aus dem Mund zu nehmen. Eine andere Pflegekraft fand die Patientin wenige Minuten später, als sie ihr Kaffee und Kuchen brachte und holte daraufhin eine Kollegin zu Hilfe.

Beide Pflegekräfte waren im Berufungsprozess als Zeuginnen vorgeladen - wie auch schon im ersten Verfahren vor dem Amtsgericht Bad Dürkheim. "Um Gottes willen, wegen Schreien steckt man nichts in den Mund, da gibt es andere Möglichkeiten", sagte eine der Pflegerinnen auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters. Sie habe es in ihrer 25-jährigen Arbeit als Pflegerin noch nie erlebt, dass ein Mundkeil oder Ähnliches zur Beruhigung einer Schreiattacke verwendet wurde.

Pflegerin: Patientin war unter Schock, nassgeschwitzt

Die zweite Krankenschwester vermerkte, dass die Patientin regelmäßig Beruhigungsmittel wegen der Schreiattacken bekam. Beide Zeuginnen sagten: Die Patientin war unter Schock, nassgeschwitzt, ihre Augen voller Tränen, sie soll "Bitte bleibt bei mir!" gesagt haben.

Landgericht Frankenthal: Verfahren gegen Pfleger wird eingestellt

Nach den Zeugenaussagen sollten eigentlich zwei Sachverständige angehört werden. Doch bevor es dazu kam, stellte der Verteidiger einen Antrag auf die Einstellung des Verfahrens. Bei einem Rechtsgespräch stimmte das Gericht zu. Allerdings musste der Angeklagte zeigen, dass er seine Schuld einsieht und muss zudem 6.000 Euro an die Alzheimer-Gesellschaft Rheinland-Pfalz zahlen.

Der Pfleger sagte: "Ich erkläre, dass ich mich falsch verhalten habe. Es tut mir außerordentlich leid."

6.000 Euro an die Alzheimer Gesellschaft Rheinland-Pfalz

"Er hat seinen Beruf immer gut ausgeübt", sagte der Vorsitzende Richter. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum er das Klopapier verwendet hat. Wir glauben dem Angeklagten, dass er die Patientin nicht verletzten wollte." Trotzdem habe sein Verhalten zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit gelegen. An dem Tag im Januar sei er nicht seiner Verantwortung nachgekommen, sagte der Richter und wandte sich an den Angeklagten: "Wir gehen davon aus, dass Sie aus dem Fall gelernt haben".

Der 56-jährige Pfleger wurde nach dem Vorfall von seinem Arbeitgeber entlassen. Seit fast einem Jahr bezieht er Arbeitslosengeld. Er möchte gerne wieder in der Pflege arbeiten.

Sendung am Mi., 23.4.2025 14:00 Uhr, SWR4 am Nachmittag, SWR4

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