Blick in die Frankfurter Börse

"Buy the Dip" Wie Investieren in Krisenzeiten gelingt

Stand: 01.06.2025 10:55 Uhr

Wenn im Portfolio die Kurse abrauschen, steigt bei vielen der Puls. Dabei sollte man in diesen Situationen ruhig bleiben - und vielleicht nachkaufen? Wie funktioniert "Buy the Dip", und wann sollte man das lieber lassen?

Von Christof Dörr, HR und Lilli-Marie Hiltscher, ARD-Finanzredaktion

Warren Buffet ist bekannt für sein Motto: "Sei gierig, wenn andere ängstlich sind." Der 94-jährige US-Investor, der Anfang des Monats seinen Rückzug aus Führung seiner Holding Berkshire Hathaway bekannt gab, hat es laut Forbes so zu einem geschätzten Vermögen von mehr als 150 Milliarden Dollar gebracht. Er hatte in seiner Karriere oft ein Händchen dafür, in schlechten Zeiten an der Börse qualitativ hochwertige Aktien unter Wert zu kaufen und so ein Vermögen zu verdienen.

Das ist eine riskante Strategie, denn niemand weiß - und das gilt immer für den Aktienhandel -, wie sich die Kurse entwickeln und ob sich eine Aktie nach einer Krise wirklich wieder erholt. "Aktienmärkten sind keine Einbahnstraßen, wo es nur nach oben geht - auch wenn sich das jeder wünschen würde. Die Kursrückgänge gehören letztendlich dazu", betont Olaf Stotz von Frankfurt School of Finance and Management im ARD-Finanzformat 50k auf YouTube.

Aus der Geschichte lernen?

Solche Kursrückgänge, die teilweise ganze Märkte mit sich ziehen, gab es in der Geschichte öfter: etwa die Große Depression, den Black Monday, die Dotcom-Blase oder die Finanzkrise. Wie lange die Aktienmärkte nach den Einbrüchen bis zur Erholung brauchten, war aber unterschiedlich.

Während der Großen Depression von 1929 bis 1933 hat die Börse fast 90 Prozent ihres Wertes verloren. Rund viereinhalb Jahre später hatte die Wall Street das alte Niveau wieder erreicht. Nach dem Black Monday dauerte es zwei Jahre bis zur Erholung. Und bei der Dotcom-Blase fiel der Nasdaq Composite Index fast 80 Prozent, und es hat 15 Jahre gedauert, bis der Index wieder auf Vorkrisenniveau war. Auch während des Corona-Crashs an der Börse 2021 haben viele Aktien dramatisch an Wert verloren. Wer damals aber zugeschlagen hat, konnte später von der Erholung des Marktes profitieren.

Kaufen, wenn der Markt am Boden liegt

Wer von solchen Entwicklungen profitieren will, der kann die Strategie "Buy the Dip" nutzen - also dann kaufen, wenn eine Aktie im Wert gefallen ist. Wichtig dabei ist, dass man gezielt nach Aktien sucht, die gerade unterbewertet sind - also günstiger, als sie eigentlich sein müssten - und die gleichzeitig ein stabiles Geschäftsmodell und Wachstumspotenzial haben. Das senkt zum einen das Risiko und erhöht zum anderen die Gewinnchancen.

Eine Situation, in der das funktioniert hat, war Anfang August 2024. Damals brach der weltweite Aktienmarkt innerhalb von nur drei Tagen um acht Prozent ein; viele dachten, das wäre der Anfang von einem längeren Abwärtstrend oder einem Crash. Doch schon ab dem 8. August ging es langsam wieder nach oben, und am Jahresende lag der Markt rund 17 Prozent über dem August-Tief.

Risiko, viel Geld zu verlieren

Solche Nachkäufe bei Kursrückgängen nennt man auch antizyklisches Investieren. Die Idee dahinter ist immer: Kaufen, wenn alle anderen verkaufen - also dann, wenn Aktien billig sind. "Wenn Sie bei tiefen Kursen kaufen, können Sie auch deutlich höhere Renditen als im Durchschnitt erzielen", so Olaf Stotz.

Er betont aber auch: "Genau an solchen Tagen, wo die Kurse stark nach unten gehen, hat man natürlich auch eine erhöhte Unsicherheit, was bedeutet, dass Sie auch kurzfristig viel mehr Geld verlieren können." Ein Beispiel dafür ist die Pleite der US-Bank Lehman Brothers: "Die Lehman Brothers war eine der größten Banken weltweit, auch die ist pleite gegangen", sagt Stotz. Darum rät er davon ab, bei einer Krise Einzelaktien nachzukaufen.

Anzeichen für den Dip

Wie genau erkennt man nun aber die Krise, in der man nachkaufen sollte? Der Frankfurter Experte verweist dabei auf mehrere Hinweise: "Der erste Indikator ist das sogenannte Angstbarometer VDAX, der die Unsicherheit am Kapitalmarkt abbildet. Wenn der etwa über 40, 50 Prozentpunkte liegt, dann waren in der Vergangenheit die Tiefsstände entweder erreicht oder zumindest nicht mehr weit weg." Ein zweiter wichtiger Indikator können laut Stotz die Preise für Staatsanleihen sein - diese gelten gerade in Krisen als sicheres Investment, wobei fallende Renditen dafür sprechen, dass gerade viele Anleger Staatsanleihen kaufen.

Gleichzeitig gibt es aber noch andere Indikatoren, zum Beispiel politische Entscheidungen oder Eingriffe von Zentralbanken. Wenn Zentralbanken etwa die Geldmenge erhöhen - also quasi mehr "Geld drucken" -, ist das meist gut für den Aktienmarkt. Denn wenn mehr Geld im Umlauf ist, wird das oft auch ausgegeben - und damit auch am Aktienmarkt investiert. Das betrifft vor allem geldpolitische Entscheidungen der Europäischen Zentralbank EZB oder der US-Notenbank Fed.

Es gibt aber auch andere Impulse, etwa wenn die Politik Steuersenkungen beschließt. Steuersenkungen können dabei auf zwei Seiten wirken: Wenn Unternehmen weniger Steuern zahlen müssen, steigen oft ihre Gewinne. Und wenn Verbraucher weniger Steuern zahlen, bleibt mehr Geld zum Ausgeben, oder zum Investieren. Beides kann dafür sorgen, dass Aktienkurse steigen.

Gibt es den richtigen Zeitpunkt?

Stotz betont im ARD-Finanzformat 50k aber auch, dass man den "richtigen Zeitpunkt" zum Investieren nur selten erwischt. Wichtig sei, mit dem Investieren anzufangen. Zumal Daten zeigen, dass sich "Buy the Dip" nur bedingt auszahlt: Finanzexperte Gerd Kommer hat untersucht, ob sich das Warten auf einen Crash wirklich lohnt und dafür Daten des MSCI-World über 55 Jahre analysiert. Das Ergebnis: In jedem einzelnen Szenario hat die einfache "Buy and Hold"-Strategie besser abgeschnitten als das Warten auf Dips.

Denn große Dips sind selten. Während Anleger auf den nächsten Crash warten, verpassen sie laufende Kursgewinne. Unterm Strich bleibt die Rendite also oft niedriger, obwohl man günstiger eingestiegen ist. "Für jemanden, der langfristig anlegt, ist eine Buy-Hold-Strategie sinnvoller - also kontinuierlich am Kapitalmarkt zu investieren, vielleicht über einen Sparplan", sagt auch Stotz.

Fehler können teuer werden

Auch bei einer "Buy the Dip"-Strategie sollte man das Risiko minimieren. Das kann mit einer sogenannten Stop-Loss-Order gelingen. Das ist eine automatische Verkaufsgrenze, die greift, sobald ein bestimmter Kurs unterschritten wird oder wenn man einen bestimmten Betrag verloren hat.

Experten wie Olaf Stotz betonen, dass es gerade in Krisen wichtig sei, sich nicht von anderen mitreißen zu lassen oder panisch zu agieren. Wer emotional handelt, läuft Gefahr, Risiken oder auch Chancen zu übersehen. Typische Fehler wie Verlustangst oder Selbstüberschätzung können dann teuer werden.

"Man muss wissen, was man nicht kann"

Zumal sich zeigt: Wer in Krisen Ruhe bewahrt, kann gute Renditen erzielen. Der S&P 500 hat über 30 Jahre mehr als zehn Prozent Rendite pro Jahr gemacht, der durchschnittliche Anleger aber unter vier Prozent, weil viele panisch in Krisen verkaufen.

Dabei kann gerade eine breite Streuung der Investments vor größeren Katastrophen schützen. Man sollte niemals alles in eine Aktie investieren, denn auch wenn sie noch so sicher scheint, kann es trotzdem krachen. Das zeigen etwa Beispiele wie die Pleite von Lehman Brothers. Mit "Buy the Dip" also tatsächlich reich zu werden, ist auch eine Kunst. Oder wie Warren Buffett sagt: "Man muss kein Genie sein, um Rendite zu machen - aber man muss wissen, was man nicht kann."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. April 2025 um 17:54 Uhr.