
Currywurst Abstieg eines Kantinenklassikers
Jahrzehntelang war die Currywurst das beliebteste Essen in deutschen Betriebskantinen. Nun schwächelt sie. Internationale Gerichte laufen dem "Kraftriegel des Facharbeiters" den Rang ab.
Dass das Nationalgericht der Deutschen jetzt im Fokus steht und den Klassenerhalt unter den Top drei der Kantinencharts nicht mehr schafft, hat mit dem Großcaterer apetito aus dem westfälischen Rheine zu tun. Seit 1992 erstellen sie bei apetito ein Ranking unter den Mittagsmenüs, beruhend auf ihren Abverkaufszahlen. In 28 dieser 33 Jahre lag die Currywurst auf Platz eins. Dann kam der langsame Abstieg. Im aktuellen Ranking landet die Fast-Food-Legende nur noch auf Platz vier.
"Unsere Abverkaufszahlen zeigen einen Trend zu internationalen Gerichten und auch zu einer bewussteren Ernährung," erzählt Jan-Peer Laabs, Vorstandvorsitzender von apetito, einer der größten Kantinenbetreibers und Fertiggerichte-Hersteller hierzulande. Auch wenn mit Spaghetti Bolognese der erste Platz noch sehr klassisch daherkommt, zeigen Chicken Korma mit Reis (Platz zwei) und das indonesische Nudelgericht Bami Goreng auf Rang drei, dass das Essen am Arbeitsplatz internationaler wird.
Und der Anteil vegetarischer Gerichte nimmt zu. Ein Blick auf die Top 10 zeigt: Vier Gerichte darunter sind fleischlos, neben Käsespätzle ist auch Chili sin Carne dabei.
Selbst kochen - ein Auslaufmodell
Es gibt sie zwar noch, die Betriebskantinen, in denen selbst gekocht wird. So wie bei Procter & Gamble am hessischen Standort Bad Schwalbach. Neben dem Einsatz von Convenience-Lebensmitteln bringen die Köchinnen und Köche vor Ort Ideen mit. Ebenfalls in Eigenregie geführt und mit über acht Millionen Gästen jährlich die bestbesuchte Betriebskantine Deutschlands: BMW in München.
Doch selbst kochen ist insgesamt ein Auslaufmodell. Immer mehr Betriebskantinen beauftragen Cateringfirmen mit dem Mittagstisch. "Nur so lassen sich die Herausforderungen, die immer größer werden, stemmen", heißt es in einer Studie, die von der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) und dem Deutschen Institut für Gemeinsschaftsgastronomie (DIG) in Auftrag gegeben wurde.
Marcel Klinge von der DZG sieht gerade den Personalmangel als Grund für diese Veränderung. "Wenn dann ein Teil des Angebots über fertig gekochte Tiefkühlware in der Betriebsküche landet, können Hilfskräfte das leisten, was eigentlich fehlt: nämlich die Köche." 40.000 Stellen sind in der Gastronomie als offen gemeldet. Und die Gemeinschaftsverpflegung gehört dabei zum größten Bereich. Täglich werden etwa 17 Millionen Gäste in deutschen Betriebsrestaurants versorgt. Da kommen Systemlösungen gerade recht.
Kantinenbetreiber baut Umsatz kräftig aus
"Wir haben den Vorteil, dass wir genau in den Dingen, die jetzt nachgefragt sind, unsere Angebot platzieren können", betont der Vorstandsvorsitzende von apetito, Laabs. Das Unternehmen ist eines der Schwergewichte in dieser Branche.
Laabs spricht von einer Million Tischgäste, die sie täglich in neun Ländern versorgen. Im vergangenen Jahr erzielte das Familienunternehmen mit Sitz in Rheine einen Umsatz von rund 1,35 Milliarden Euro, ein Plus von 8,5 Prozent zu 2023. Gut 55 Prozent des Umsatzes entfallen dabei auf Deutschland. Und sie werden weiter wachsen, da ist sich der Vorstandsvorsitzende sicher.
In einer früheren Version des Artikels wurde eine angeblich geplante EU-Regelung zu Kantinenessen thematisiert. Richtig ist, dass es solche Pläne nicht gibt. Die entsprechende Passage des Textes wurde daher entfernt.
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