Zahlreiches Gemüse liegt auf einem Küchentisch.

Ernährung der Zukunft Gesund und nachhaltig - geht das?

Stand: 21.04.2025 09:26 Uhr

Essen soll schmecken, gesund und klimafreundlich sein. Ist das möglich? Eine Forschungsgruppe sucht nach alltagstauglichen Lösungen und fordert mehr von der Politik.

Von Doris Tromballa, BR

Wir wollen, dass Essen schmeckt, satt macht und uns gesund hält. Aber auch die Themen Klimawandel, Inflation und internationale Krisen beeinflussen unser Essverhalten. Einer repräsentativen Umfrage von 2024 zufolge fühlen sich Menschen beim Thema Essen zunehmend unter Druck: 89 Prozent der Befragten waren mit mindestens einem Aspekt der eigenen Ernährung unzufrieden.

Mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) waren der Meinung, dass das Thema Ernährung anstrengend geworden ist, weil man auf so vieles achten muss. Gesund, genussreich und nachhaltig essen, geht das überhaupt? An der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) beschäftigt sich seit über zwei Jahren eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe genau mit dieser Frage. Jetzt präsentierten die Beteiligten erste Einblicke.

Gesunde und nachhaltige Ernährung

Ein Konzept, das die Expertinnen und Experten diskutiert haben, ist die sogenannte "Planetary Health Diet". Sie wurde 2019 von der EAT-Lancet-Kommission, einem Zusammenschluss von 37 Wissenschaftlern aus 16 Ländern, veröffentlicht und basiert hauptsächlich auf pflanzlicher Ernährung mit wenig Milchprodukten und Fleisch. "Das ist ein Konzept, von dem sie sagen, dass es ermöglichen würde, sich sowohl gesund als auch nachhaltig zu ernähren", sagt Ute Mons, Epidemiologin vom Deutschen Krebsforschungszentrum und Mitglied der BBAW-Arbeitsgruppe.

Allerdings wird die "Planetary Health Diet" kontrovers diskutiert: Eine britische Studie lobt, dass sie viele vorzeitige Todesfälle verhindern und den CO2-Ausstoß stark senken könne. Experten vom Max Rubner-Institut und der deutschen Cochrane-Gesellschaft äußerten sich jedoch sehr zurückhaltend hinsichtlich Gültigkeit und Übertragbarkeit dieser Berechnungen.

Ein internationales Forscherteam bemängelte, dass die empfohlenen Nährstoffmengen für einige Bevölkerungsgruppen zu niedrig seien. Auch sei der empfohlene Fleischkonsum extrem niedrig: Laut "Planetary Health Diet" sollen durchschnittlich nicht mehr als 14 Gramm rotes Fleisch pro Tag gegessen werden.

Keine generelle Ernährungsempfehlung

Laut Epidemiologin Mons ist die "Planetary Health Diet" nicht mit konkreten Ernährungsempfehlungen gleichzusetzen, sondern "eine Referenzdiät, die versucht, diese beiden Ziele zu vereinen". Tilman Grune vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke, ebenfalls Mitglied der BBAW-Arbeitsgruppe, erklärt: "Die Planetary Health Diet ist etwas, das global wirkt. Es gibt dann die lebensmittelorientierten Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), sie sind die Anwendung auf die deutsche Situation."

Was ist eigentlich "gesunde Ernährung"?

Allerdings leidet die Ernährungswissenschaft an einem grundsätzlichen Problem: nämlich, wie man "gesunde Ernährung" erforschen soll, meint der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop. Grund dafür sei das Design vieler Ernährungsstudien: Die Daten werden häufig mithilfe sogenannter Beobachtungsstudien erhoben: Die Probanden füllen Fragebögen zu ihrem Ernährungsverhalten aus. "Die Datenbasis ist absolut nicht belastbar, weil niemand sagen kann, ob das, was dort angegeben wurde, stimmt oder nicht."

Aus Beobachtungsstudien können auch keine Kausalitäten, also Ursache-Wirkungsbeziehungen, abgeleitet werden. "Demnach kann niemand sagen, was gesunde Ernährung ist, weil es keine Beweise gibt", fasst Knop zusammen. Grune hingegen wendet ein: "Wir haben immer neue Ernährungserhebungstools, jetzt gerade mit Wearables. Die Erhebung wird genauer."

Er appelliert an Verbraucher, sich nicht von jeder Schlagzeile verunsichern zu lassen: "Forschung ist ein Prozess, der viel zu früh als Top-Wahrheit dargestellt wird. Aber ein Kollege hat mal gesagt: 'Eine Erkenntnis ist wie eine Mauer - und jede Studie ist ein Stein davon.'"

Beispiele aus den Empfehlungen

Für Ratsuchende zum Thema Ernährung kann der Prozess frustrierend sein. Beispielhaft dafür ist die Diskussion ums Ei: In den 1980er-Jahren wurde es wegen seines Cholesteringehalts als Verursacher von Herzkrankheiten verdächtigt. In den 1990er-Jahren hieß es, der Einfluss des Nahrungscholesterins auf diese Erkrankungen sei überschätzt worden, das Ei wurde "rehabilitiert".

Als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) 2024 neue Empfehlungen zur gesunden Ernährung vorlegte, fand sich darin erneut der Ratschlag: Nicht mehr als ein Ei pro Woche. Begründet wurde das mit der neuen Strategie der DGE, neben Gesundheits- auch Nachhaltigkeitsaspekte in die Bewertung von Lebensmitteln einfließen zu lassen.

Beim Essen auf den eigenen Körper hören

Wie können wir gesund, nachhaltig und trotzdem gut und stressfrei essen? Ernährungswissenschaftler Knop rät: "Wir haben zum einen die persönliche Intuition, also ein Essen im Einklang mit den körperlichen Bedürfnissen, als auch die eigene Ethik, das heißt, ein Essen im Einklang mit dem persönlichen Wertekompass."

Das helfe, sich beim Essen auf den Genuss und das persönliche Wohlbefinden zu konzentrieren, anstatt sich vom schlechten Gewissen den Appetit verderben zu lassen.

BBAW-Abschlussbericht im Herbst 2025

Im Herbst 2025 soll der Abschlussbericht der BBAW-Arbeitsgruppe erscheinen, der konkret umsetzbare Maßnahmen für alle gesellschaftlichen Akteure - also auch für die Politik und Unternehmen - im Bereich Ernährung empfiehlt: beispielsweise eine Zuckersteuer, eine verringerte Mehrwertsteuer für gesunde Lebensmittel oder eine bessere Lebensmittelkennzeichnung. Man wünsche sich, so Grune,  "den gebildeten Verbraucher, der die Entscheidung selber treffen kann, der Behauptungen, die irgendwo gemacht werden, selbst mit diesen Verbraucherinformationen gut einschätzen kann“.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Bayern 2 in der Sendung "Welt am Abend" am 17. April 2025 um 17.04 Uhr