
Präsidentenwahl in Polen In der Stichwahl geht es um das "genervte" Drittel
Polen wählt heute einen neuen Präsidenten. Sollte sich der nationalpopulistische Kandidat in der Stichwahl durchsetzen, könnte er Vorhaben der pro-europäischen Regierung blockieren. Im Wahlkampf bekam er Unterstützung aus den USA.
JD Vance ist doch nicht gekommen. Der US-Vizepräsident hat abgesagt und stattdessen Heimatschutzministerin Kristi Noem nach Polen geschickt. Sie soll bei einem Ableger der konservativen US-Konferenz CPAC Wahlwerbung machen für Karol Nawrocki, den Präsidentschaftskandidaten der rechtspopulistischen PiS-Partei.
"Wir wollen, dass ihr den richtigen Anführer wählt", ruft Noem. Polen werde Europa zurück zu konservativen Werten führen und zu der Erkenntnis, dass "die Menschen ihre Rechte von Gott erhalten und nicht von irgendwelchen ungewählten oder gewählten Bürokraten."
Nicht unbedingt ein Plädoyer für die Demokratie, aber das hindert Kristi Noem nicht. Sie holt aus gegen Nawrockis Kontrahenten, den Warschauer Stadtpräsidenten Rafał Trzaskowski. Der sei ein "total trainwreck of a leader", eine Katastrophe also, ein Sozialist, der durch Angst Menschen manipuliere und "unsere Länder zerstört".
Dass die PiS-Partei seit Jahren Angst schürt vor Geflüchteten, vor der EU, vor den Deutschen, dass die PiS-Wählerschaft Trzaskowski eher für einen neoliberalen Großstadtschnösel hält als für einen sozialistischen Weltenzerstörer - alles Details, mit denen sich Noem nicht belastet. Und die PiS auch nicht. Hauptsache Unterstützung aus den USA, denn die kann ihr Kandidat gebrauchen.

Kristi Noem, Trumps Heimatschutzministerin, reiste aus den USA an, um für Karol Nawrocki zu werben.
Rechtsextremer Kandidat als Königsmacher
Der Soziologe Jarsoław Flis sagt im Interview mit der ARD, Polen sei in etwa dreigeteilt: ein Drittel, das stabil für die PiS stimmt, ein Drittel, das vor allem gegen die PiS und damit für die regierende Bürgerkoalition stimmt, und ein Drittel, das genervt ist. Wer das genervte Drittel für sich gewinnt, gewinnt die Wahl.
Rafał Trzaskowski hat die Unterstützung der anderen Regierungsparteien, er muss vor allem Nichtwähler motivieren. Karol Nawrocki hingegen setzt auf die, die in der ersten Runde rechtsextrem gewählt haben - vor allem auf die knapp 15 Prozent jüngerer Wählerinnen und Wähler, die für Rechtsaußenkandidat Sławomir Mentzen gestimmt haben.
Mentzen platziert sich als Königsmacher und lädt beide Stichwahlkandidaten ein zu Verhandlungen auf seinen YouTube-Kanal. Acht Verpflichtungen sollen sie unterschreiben - unter anderem gegen mehr EU-Kompetenzen, höhere Steuern und gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine.
Nawrocki unterschreibt sie alle und legt noch drauf. "Versprechen wir hier vor den Zuschauern, dass wir auch gegen den Green Deal und den EU-Vertrag Mercosur sind", sagt er.
Es ist auch eine Ansage an Europa. Mit Nawrocki als Präsident stünden die Chancen gut für eine Rückkehr der PiS an die Macht. Polen würde aller Wahrscheinlichkeit nach in der EU wieder auf Konfrontation umstellen.

Der liberal-konservative Kandidat Rafal Trzaskowski lag in der ersten Runde knapp vorn. Im Wahlkampf gab er sich als Versöhner.
Nawrocki im Wahlkampf von Skandalen verfolgt
Auch Rafał Trzaskowski geht zu Sławomir Mentzen ins YouTube-Verhör. Der liberal-konservative Stadtpräsident von Warschau hatte die erste Wahlrunde knapp gewonnen. Jetzt braucht auch er dringend mehr Stimmen.
Auch er verspricht eine harte Migrationspolitik, eine kritische Haltung zu EU-Abkommen, die die polnische Wirtschaft belasten könnten. Aber er unterschreibt nichts. Stattdessen geht Trzaskowski anschließend mit Mentzen ein Bier trinken.
Trzaskowski will der Versöhner sein, der Präsident für alle Polen. Nawrocki wird im Wahlkampf von Skandalen verfolgt, er soll einen alten Mann um dessen Wohnung gebracht haben, als Hooligan an Kämpfen gegen verfeindete Gruppen teilgenommen, auch als Türsteher und Zuhälter gearbeitet haben.
Rafał Trzaskowski versucht, daraus einen Vorteil für sich zu machen. "Wählt einen Präsidenten, der Respekt hat vor anderen, der nicht nur an Werte wie Ehrlichkeit und menschlichen Anstand glaubt, sondern sein Leben danach ausrichtet", appelliert er in der letzten Fernsehdebatte vor der Wahl.
Premier Tusk bittet um Entschuldigung
Aber bisher schreckten Nawrockis Skandale die PiS-Wählerschaft nicht ab - zumindest nicht so sehr wie Trzaskowskis Nähe zu Premierminister Donald Tusk manche Wähler zurückhielt. Viele Menschen, die in der ersten Runde gar nicht gewählt haben, erklären ihre Enthaltung damit, dass sie enttäuscht sind von der Regierung Tusk. Die setzte nur wenige ihrer Reformversprechen um - auch, aber eben nicht nur, weil der PiS-nahe amtierende Präsident Andrzej Duda wichtige Gesetze blockiert.
Also geht Premier Tusk in die Offensive und bittet um Entschuldigung. Bei einer Demo vor etwa 150.000 Menschen ruft er "Entschuldigung, weil ihr alle habt erwartet - ich auch - dass es schneller geht, mehr und stärker wird." Tusk bittet um Unterstützung für Trzaskowski, "damit wir Polen ändern können, wie wir es versprochen haben".
In den Umfragen stehen Trzaskowski und Nawrocki etwa gleich auf. Am Ende wird die Wahlbeteiligung entscheiden, prophezeien Experten. Ist sie hoch, hat Trzaskowski eine Chance. Bleiben viele Enttäuschte zu Hause, gewinnt Nawrocki. Denn die Wählerinnen und Wähler der PiS kommen auf jeden Fall.