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Rechtsextremismus-Einstufung Was die Klage der AfD bedeutet 

Stand: 07.05.2025 14:58 Uhr

Die AfD hat Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln eingereicht und diese mit einem Eilantrag verbunden. Das Ziel: Die Einstufung als "gesichert rechtsextremistisch" juristisch stoppen. Verschiedene Szenarien sind nun möglich.

Von Kolja Schwartz, ARD-Rechtsredaktion

Eine Überraschung war es nicht. Drei Tage nach der Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), hat die Partei Klage eingereicht.

195 Seiten umfasst die Klageschrift, die beim zuständigen Verwaltungsgericht Köln eingegangen ist. Darin stellt die AfD den Antrag, das Gericht möge es dem BfV per Urteil untersagen, die AfD als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" einzuordnen und als solche zu beobachten. 

Gutachten ist nicht öffentlich

In einem 1.100-Seiten umfassenden geheimen Gutachten kommt das BfV zu dem Schluss, dass es sich bei der AfD um eine "gesichert extremistische Bestrebung" handelt. Darüber hatte die Behörde in einer Pressemitteilung informiert. Man habe bei der Einstufung die vergangenen drei Jahre betrachtet und unter anderem Aussagen von hochrangigen Parteivertretern berücksichtigt. Vor allem das "in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis" sei nicht mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung vereinbar und rechtfertige die Einstufung, so heißt es in der Pressemitteilung.

Seit Jahren führt das BfV die AfD bereits als sogenannten Verdachtsfall. Durch die Hochstufung ist der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln, wie dem Anwerben von V-Leuten oder Observierungen, nun etwas leichter möglich, die Hürden sind nicht mehr ganz so hoch. Die Partei durfte aber auch bisher schon mit diesen Mitteln beobachtet werden.

Vorgehen ist rechtsstaatliche Normalität

Es sei nicht im Ansatz nachvollziehbar, so heißt es in der Klage der Partei, dass die AfD insgesamt eine "gesicherte rechtsextreme Bestrebung" sein soll. Sowohl die Hochstufung vom Verdachtsfall, als auch die Bekanntgabe gegenüber der Öffentlichkeit seien daher "offensichtlich rechtswidrig".  

Die Klage gegen die Einstufung ist nichts Ungewöhnliches. Die Hochstufung durch das BfV ist ein verwaltungsrechtlicher Vorgang. Der Verfassungsschutz ist an Recht und Gesetz gebunden, die unabhängigen Gerichte überprüfen also das Handeln der Behörde. In erster Instanz ist das Verwaltungsgericht Köln zuständig, weil sich die Klage gegen das BfV wendet und dieses in Köln seinen Sitz hat.

In dem Gerichtsverfahren muss das BfV darlegen, warum die Einstufung der Gesamtpartei als "gesichert extremistisch" gerechtfertigt ist. Sie hat die Beweislast und muss deshalb die Materialsammlung und die Erkenntnisse aus dem Gutachten vorbringen. Auf diese kann die AfD dann reagieren und versuchen, sie zu entkräften.

Klagen gegen Verdachtsfall erfolglos

Auch gegen die Einstufung als Verdachtsfall war die AfD juristisch vorgegangen. Die Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln hatte jedoch keinen Erfolg. Und auch in der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster scheiterte die AfD im Mai 2024.

Es gebe "hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte", so das Oberverwaltungsgericht, "dass die Partei Bestrebungen verfolgt, die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet" seien. Die AfD versucht, gegen diese Entscheidung noch vor dem Bundesverwaltungsgericht vorzugehen.

Wie es jetzt weitergeht

Die AfD möchte die Einstufung als "gesichert extremistisch" möglichst schnell aus der Welt haben. Weil es bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Klage aber vermutlich ein Jahr oder länger dauern kann, hat sie gleichzeitig auch einen Eilantrag gestellt. Das Gericht möge die Einstufung vorläufig, bis zur Entscheidung in der Hauptsache aussetzen.

Eine Entscheidung in einem Eilverfahren ergeht in der Regel schneller und nur vorläufig. Das Verwaltungsgericht Köln hat dem BfV eine Frist von drei Wochen gegeben, um auf diesen Antrag erstmals zu reagieren. Darauf darf dann die AfD reagieren, das Gericht muss sich ein Bild verschaffen und die Argumente abwägen. Allein dies zeigt: Auch bis zu einer Entscheidung in dem Eilverfahren dürften Monate vergehen. Doch was passiert in dieser Zeit, in der das Gericht den Eilantrag prüft?

Hängebeschluss könnte schneller kommen

Die AfD hat zusätzlich zu Klage- und Eilantrag noch einen sogenannten Hängebeschluss beantragt. Damit könnte das Gericht die Einstufung als "gesichert extremistisch" vorläufig aussetzen. Die AfD argumentiert: Ohne diesen Hängebeschluss entstehe ein "nicht wiedergutzumachender Schaden" für die Partei und für den demokratischen Willensbildungsprozess.  

Im März 2021 hatte das Verwaltungsgericht Köln im Verfahren um den Verdachtsfall einen solchen Hängebeschluss erlassen. Bis zur Entscheidung in der Eilsache durfte das BfV die AfD dann nicht mehr als Verdachtsfall führen und dementsprechend auch nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen. Die Eilsache hatte das Gericht dann später zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache im März 2022 verkündet. Erst dann durfte der Verfassungsschutz die AfD wieder als Verdachtsfall führen und beobachten.  

Wenn das Gericht einen solchen Hängebeschluss erlassen würde, bliebe die Überwachung diesmal aber grundsätzlich möglich. Weil diese wegen der Einstufung als Verdachtsfall ebenfalls rechtlich erlaubt ist. Wichtig ist: Ein Hängebeschluss hätte keinerlei Aussage über die inhaltlichen Erfolgsaussichten der Klage oder des Eilantrags, also ob die Einstufung als "gesichert extremistisch" rechtmäßig ist.

Stillhaltezusage möglich

Um dem Hängebeschluss sicher zu entgehen, könnte das BfV auch eine Stillhaltezusage abgeben. Also von sich aus erklären, dass es die Einstufung bis zu einer juristischen Klärung im Eilverfahren vorläufig zurücknimmt und auch die Pressemitteilung dazu löscht. Die AfD hat in der Klageschrift eine solche ebenfalls gefordert. Das Gericht hat dem BfV bis zum 9. Mai Zeit gegeben, darauf zu reagieren.

Auch eine Stillhaltezusage hätte keinerlei Aussage über die Rechtmäßigkeit der Einstufung. Bis die Frage der Einstufung juristisch endgültig durch die Instanzen gegangen ist, werden wohl mehrere Jahre vergehen.

Parteiverbotsverfahren andere Baustelle

Durch die Einstufung der AfD als "gesichert extremistisch" ist auch die Diskussion um ein Parteiverbotsverfahren wieder aufgeflammt. Wichtig zu wissen: Juristisch ist das eine ganz andere Baustelle. Während die Einstufung als Verdachtsfall oder "gesichert extremistisch" durch das BfV vorgenommen und durch die Verwaltungsgerichte überprüft wird, darf über ein Parteiverbot nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Ob es zu einem solchen Verfahren in Karlsruhe kommt, ist zunächst eine politische Entscheidung. Denn den Antrag auf ein Verbot können nur der Bundestag, die Bundesregierung oder der Bundesrat stellen. Wenn die Gerichte die Einstufung als "gesichert extremistisch" bestätigen, könnte die Materialsammlung des BfV wichtige Argumente für ein Verbot liefern. Sie führen aber nicht automatisch zu einem solchen.

Mehr zum Thema im Podcast "Die Justitz*reporterinnen" in der ARD-Audiothek