Die SPD-Spitze stimmt bei einer Dialogkonferenz die Parteimitglieder auf die Abstimmung über den Koalitionsvertrag mit der Union ein.
Reportage

Schwarz-rote Koalition Countdown für den SPD-Mitgliederentscheid

Stand: 29.04.2025 08:23 Uhr

Nachdem die Union Ja zum Koalitionsvertrag gesagt hat, ist nun die SPD dran. Bis Mitternacht können die Mitglieder darüber abstimmen. Morgen soll das Ergebnis bekannt gegeben werden. Wie ist die Stimmung?

Von Anne-Katrin Mellmann, ARD-Hauptstadtstudio

Als SPD-Fraktions- und Co-Parteichef Lars Klingbeil am Samstagnachmittag die Bühne der Stadthalle betritt, brandet Applaus auf und die Handys gehen für ein Foto in die Höhe. Die Genossen im nordhessischen Baunatal sind sichtlich erfreut über den hohen Besuch aus Berlin.

Auch Sigrid Veih, ehemalige Lehrerin und seit 60 Jahren SPD-Mitglied. Sie sagt, sie möchte Lars Klingbeil einmal live erleben. Abgestimmt habe sie schon längst. "Ich verrate ihnen auch, wie ich abgestimmt habe: Ich habe dafür gestimmt", sagt Veih. Sie denkt, dass die SPD keine andere Chance in dieser Situation hat und sehen muss, dass sie daraus das Beste macht.

"Für mich gibt es eine Brandmauer", sagt sie aber. "Wenn die CDU mit der AfD in irgendeinem Zusammenhang stimmt, dann muss die SPD aus dieser Koalition ausscheiden. Oder ich scheide aus der SPD aus - nach fast 60 Jahren."

Die SPD-Spitze wirbt für Zustimmung

Solche Sorgen versucht die Co-Parteivorsitzende Saskia Esken gleich zu Beginn des Auftritts der SPD-Spitze auf der Bühne zu zerstreuen: "Was den Umgang mit der AfD angeht im Parlament - wir sind hier völlig klar: Für uns sind diese rechtsradikalen Antidemokraten keine ganz normale Oppositionspartei wie jede andere auch."

Ganz konkrete Fragen des Publikums zum Koalitionsvertrag beantwortet die SPD-Spitze in diesen Dialogveranstaltungen - und wirbt für Zustimmung. Ablehnung kommt von den Jusos. Die empfehlen ein Nein und Nachverhandlungen.

Manche anwesenden Jusos wollen trotzdem mit Ja stimmen. Der erst 14-jährige Deutsch-Syrer Hasan aus Kassel findet die Vereinbarungen zur Einwanderung zwar problematisch. Aber für ihn ist auch klar: "Ich werde für Ja abstimmen." Für ihn gehe es nicht um den Koalitionsvertrag. Denn wenn die SPD den ablehne und es zu Neuwahlen komme, "dann ist die AfD stärkste Kraft nach Umfragen. Und das wollen wir verhindern."

Es bleibt noch Zeit bis Mitternacht

Einige Jusos sehen das bei den Präsenz-Veranstaltungen mit der SPD-Führung ähnlich. In Hannover, ein paar Tage zuvor, hat sich der 24-jährige Luc von Lars Klingbeil überzeugen lassen. "Lars hat überzeugend dargelegt, was dagegen spricht, gegen den Koalitionsvertrag zu stimmen", sagt er. "Es ist klar, dass es nicht das SPD-Programm pur ist, aber die Alternative Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung von Merz würde ich weniger gut finden und deshalb werde ich jetzt zustimmen." Er stimme nicht hundertprozentig dem Koalitionsvertrag zu. "Aber im Großen und Ganzen, aus staatspolitischer Verantwortung, finde ich es wichtig, dass man mit Ja stimmt."

Die 32-jährige Friederike aus Walsrode war zunächst unentschlossen, will nach dem Auftritt der SPD-Spitze aber doch mit Ja stimmen. Unter anderem hatte sie sich gewünscht, dass die Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch verschwindet. Herausgekommen ist für die SPD immerhin eine bessere Kostenübernahme durch die Krankenkassen.

"Die Antworten überzeugen mich", sagt sie. "Ich weiß von ein paar Mitgliedern, dass sie im Vorfeld schon gesagt haben, sie wollen mit Nein stimmen, aus Protest. Kann man machen, aber am Ende hat man dann auch keine Möglichkeit, zu gestalten."

Die SPD-Spitze rechnet mit einem Ja zum Koalitionsvertrag. Zeit zum Abstimmen bleibt nur noch bis Mitternacht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. April 2025 um 08:00 Uhr.