
Berlin Berliner Koalitionsklausur: Wenn der Sonnenstich das kleinste Problem ist
CDU und SPD haben sich für ihre Koalitionsklausur in Nauen sowieso schon viel auf die Agenda gepackt. Zusätzlich Ballast gibt es durch Streitigkeiten, die längst nicht mehr hinter verschlossenen Türen bleiben. Von Sebastian Schöbel
Sommerliche 26 Grad werden am Wochenende in Nauen erwartet - perfektes Wetter für einen Besuch der Fête de la Musique, eine schöne Radtour, oder um sich eine versteckte Badestelle an einem See zu suchen. Das Landgut Stober, wo sich CDU und SPD aus Berlin zur zweitägigen Koalitionsklausur treffen, hat sogar einen eigenen Steg am malerischen Groß Behnitzer See.
Es dürfte allerdings ausgeschlossen sein, dass die Fraktionschefs Dirk Stettner (CDU) und Raed Saleh (SPD) gemeinsam Köpper ins kühle Nass machen – dafür wird die Zeit nicht reichen. Denn die Agenda ist voll und die Stimmung innerhalb der Koalition merklich angespannt. Kai Wegner (CDU) rieb zuletzt der SPD leicht süffisant ihre miese innerparteiliche Stimmung unter die Nase, während SPD-Fraktionsmitglieder öffentlich CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde im Tempo-30-Streit maßregelten und Stettner als verkehrspolitischen Laien bezeichneten.

Etliche Brände zu löschen
Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) wiederum forderte Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) in einem sorgsam an die Medien durchgestochenen Brief auf, sich mehr um das Wohl geflüchteter Kinder zu kümmern. Kiziltepe ihrerseits suchte demonstrativ den Schulterschluss mit der neuen Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson (parteilos), die öffentliche Gelder für Kultureinrichtungen nun doch nicht mit einer "Demokratieklausel" verbinden will – was Wegner und die CDU eigentlich explizit gefordert hatten. Die parteiübergreifende Einigung bei der Verwaltungsreform, gemeinsam mit Grünen und Linken, gerät bei so viel Stress fast in den Hintergrund.
Die Klausur der beiden Regierungsfraktionen hat jedenfalls mehr Brände zu löschen als die Brandenburger Feuerwehr im Hochsommer. Bei der Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) – kurz "Polizeigesetz" – gibt es noch etliche Änderungswünsche zu bearbeiten. Die Streitpunkte sind bestens bekannt: eine Neubewertung kriminalitätsbelasteter Orte, die Einführung von Waffenverbotszonen und die längere Speicherung von Daten aus der Videoüberwachung. Auch das Neutralitätsgesetz wird für Debatten sorgen. Nach mehreren Gerichtsurteilen muss es überarbeitet werden, vor allem mit Blick auf das Tragen von Kopftüchern in Klassenräumen.

Das schwierigste Thema: Der Haushalt
Bei der Ausbildungsplatzumlage macht Sozial- und Arbeitssenatorin Kiziltepe seit Monaten Druck, sehr zum Ärger von Wegner. Die SPD-Politikerin will Unternehmen, die nicht ausbilden, zur Kasse bitten, was die wirtschaftsfreundliche CDU ablehnt. Politisch schwierig für beide Parteien ist das Vergesellschaftungsrahmengesetz: Hier muss endlich ein Zeitplan vorgelegt werden, obwohl weder CDU noch der konservative Teil der SPD es wirklich wollen. Mit jedem Tag, der vergeht, bekommen Grüne und vor allem Linke mehr Argumente für den Wahlkampf 2026.
Das mit Abstand schwierigste Thema aber dürfte der nächste Doppelhaushalt 2026/27 sein. Schon länger ist klar, dass die Anmeldungen der einzelnen Ressorts sechs Milliarden Euro über dem liegen, was leistbar ist. Ob das Sondervermögen des Bundes und konjunkturell bedingte Kredite die Not lindern, ist unklar.

Eine politische Bombe in der Bildung
Welche Mammutaufgabe hier erneut auf CDU und SPD wartet, zeigt das Bildungsressort. Senatorin Günther-Wünsch wirkte regelrecht beleidigt, als sie den Abgeordneten im Bildungsausschuss vorhielt, die Einsparungen im aktuellen Haushalt seien fast gleichgültig hingenommen worden. "Ich hätte mir sehr gewünscht, dass der Aufschrei bei 130 Millionen Kürzungen im Schulbau, bei 30 Millionen Kürzungen im Kita-Ausbau und der Sanierung, bei einem zweistelligen Millionenbetrag in der Kürzung der Digitalisierung einen ähnlichen Aufschrei hervorgerufen hätte", so die CDU-Politikerin, offenbar in Anspielung auf die wochenlange Kritik an Kürzungen in der Kultur. "Diese Kürzungen betreffen Tausende von Schülerinnen und Schülern."
Und dann ließ Günther-Wünsch die politische Bombe platzen: Für die nun anstehenden Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2026/27 habe sie "einen Einzelplan abgegeben, der deutlich überzeichnet ist", so Günther-Wünsch, und zwar um einen "hohen dreistelligen Betrag". Das Wort "Millionen" musste sie gar nicht dazusagen. Für Zuwendungen sei deswegen bislang gar kein Geld eingestellt, "weil einfach der Spielraum nicht da ist".

Opposition lädt schon zum "Krisengipfel"
Was bürokratisch klingt, ist das Horrorszenario für etliche Träger in der Bildungslandschaft Berlins: Die Grünen kommen in einer ersten Aufzählung, die dem rbb vorliegt, auf rund 1.500 Projekte, die in große Schwierigkeiten kommen würden oder vor dem Aus stünden – darunter Sprachförderung in Kitas, Bildungsangebote zu Menschenrechten, der Ausbau von Familienzentren und Kita-Plätzen, die Stärkung der Jugendverbandsarbeit, Hilfen bei sexuellem Missbrauch oder Boxtraining für Mädchen. "Das schwächt die Schulen und belastet die Lehrkräfte zusätzlich", kritisierte Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch und lädt bereits ein zum "Krisengipfel" Mitte September.
Einen Haushaltsentwurf, in dem viel zu hohe Ausgaben stecken, schickt aber nicht nur Günther-Wünsch zur Klausur in Nauen: Auch andere Senatsverwaltungen haben Budgets vorgelegt, die überzeichnet sind. Die Sonnencreme können die Koalitionäre bei ihrer sommerlichen Sitzung also daheim vergessen – den Rotstift nicht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 23.06.2025, 06:12 Uhr