Dirk Stettner (l), Vorsitzender der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, spricht während eines Pressegesprächs zum Berliner Doppelhaushalt 2024/25 neben Raed Saleh, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin.

Berlin Schwarz-rote Koalitionsklausur: Berliner Regierung kündigt eine Reihe neuer Gesetzesvorhaben an

Stand: 22.06.2025 19:55 Uhr

Mehr Kompetenzen für die Polizei, verbesserter Schutz für Opfer häuslicher Gewalt, höherer Landesmindestlohn, Vergesellschaftungen: Die Berliner Regierungskoalition hat sich auf ihrer Klausur auf eine Reihe von Vorhaben geeinigt.

  • Berliner Regierungskoalition einigt sich auf Umsetzung mehrere Projekte
  • Polizei soll mehr Kompetenzen bekommen, etwa bei Überwachungsorten und -methoden
  • Lehrerinnen sollen Koptücher tragen dürfen, Landesmindestlohn erhöht
  • keine schnelle Umsetzung bei Vergesellschaftungen von Wohnungskonzernen

Die Berliner Regierungskoalition aus CDU und SPD will noch vor der Sommerpause eine Reihe von Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen. Das hat sie auf ihrer Klausur in Nauen (Havelland) beschlossen. Geplant ist beispielsweise, das Berliner Polizeigesetz zu verschärfen, wie CDU-Fraktionschef Dirk Stettner und SPD-Fraktionsvorsitzender Raed Saleh im Abgeordnetenhaus erläuterten.
 
Bei der Kriminalitätsbekämpfung soll die Polizei etwa bei der Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten oder der Telekommunikationsüberwachung mehr Befugnisse bekommen. Kriminalitätsbelastete Orte sollen stärker videoüberwacht werden dürfen, Kameras der BVG sollen Bildmaterial länger speichern, die Polizei soll mehr Rechte bei der Überwachung von Telefongesprächen und Messenger-Diensten erhalten.

Symbolbild: Ein Polizist vor den Überwachungsmonitoren (Quelle: dpa)
Fußfessel, Überwachung, Rettungsschuss - Berliner Polizei soll mehr Rechte bekommen
Welche Kompetenzen soll die Berliner Polizei bekommen? Längere Zeit lag die Regierungskoalition darüber im Streit. Nun haben sich die Fraktionsspitzen von CDU und SPD geeinigt. Die Polizei soll deutlich mehr Rechte bekommen. Von Angela Ulrichmehr

Eine weitere Verschärfung gilt dem Schutz von Frauen vor gewalttätigen Männern - nicht zuletzt gewalttätigen Ex-Partnern. Ihnen soll künftig 28 statt bisher 14 Tage lang verboten werden können, die gemeinsame Wohnung zu betreten. CDU-Fraktionschef Stettner sprach von einem großen Schritt für mehr Sicherheit in Berlin, sein Amtskollege von der SPD Saleh nennt die Novelle des Polizeigesetzes einen "großen Wurf".

Kopftücher an Schulen, höherer Mindestlohn bei Landesbeschäftigung

Auf ihrer Klausur haben die Fraktionsvorstände von CDU und SPD weitere Einigungen erzielt. So soll das Neutralitätsgesetz angepasst werden. Grundsätzlich dürfen kopftuchtragende Lehrerinnen in den Berliner Schuldienst eingestellt werden, außer in einer Einzelfallprüfung wird eine "Gefährdung des Schulfriedens" festgestellt.
 
Der Landesmindestlohn wird an die Entwicklung des Mindestlohns auf Bundesebene gekoppelt. Er soll maximal 1,50 Euro über diesem liegen dürfen, und nicht unter dem Bundesmindestlohn von 15 Euro.

Ausbildungszulage kommt, Vergesellschaftung von Immobilienkonzerne

Auch das umstrittene Gesetz für eine Ausbildungsplatzumlage soll schon bald kommen. Die Umlage wird nur fällig, wenn bis zum Jahresende nicht wie angestrebt 2.000 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Mit der Beratung des Gesetzes soll aber nicht bis Dezember gewartet werden - die Erste Lesung könnte es schon im Oktober geben. Mit der Umlage, die alle Arbeitgeber in eine "Ausbildungskasse" zahlen, sollen Betriebe gefördert werden, die tatsächlich ausbilden.

Kai Wegner (r, CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin, unterhält sich vor der Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus mit Raed Saleh, SPD-Fraktionsvorsitzender.  (Quelle: dpa/Annette Riedl)
Wenn der Sonnenstich das kleinste Problem ist
CDU und SPD haben sich für ihre Koalitionsklausur in Nauen sowieso schon viel auf die Agenda gepackt. Zusätzlich Ballast gibt es durch Streitigkeiten, die längst nicht mehr hinter verschlossenen Türen bleiben. Von Sebastian Schöbelmehr

Zumindest noch in diesem Jahr will die Regierungskoalition einen Entwurf für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz vorlegen. Beide Parteien hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt. Es ist eine Reaktion auf den erfolgreichen Volksentscheid von 2021 zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Damals hatten gut 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Vergesellschaftung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Inwieweit das Gesetz tatsächlich dafür genutzt wird, ist offen. Die CDU lehnt die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen ab.
 
Zu Enteignungen, so wie sie in dem Volksentscheid gefordert und mehrheitlich unterstützt worden waren, wird es durch das Vorhaben nicht kommen. "Wir wollen ja auch niemanden enteignen, wir werden ja auch nienmanden enteignen", sagte Stettner dazu in der rbb24 Abendschau. "Wir möchten einen gesetzlichen, sicheren Rahmen dafür schaffen, dass ein starker Staat prüfen kann, ob wir als letztes Mittel eingreifen müssen." In den kommenden zwei Jahren sollen konkrete Fallbeispiele geprüft werden, sagte er.

Weg zu Vergesellschaftungsgesetz scheint lang

Zumindest noch in diesem Jahr will die Regierungskoalition einen Entwurf für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz vorlegen. Beide Parteien hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt. Es ist eine Reaktion auf den erfolgreichen Volksentscheid von 2021 zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Damals hatten gut 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Vergesellschaftung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin gestimmt.
 
Ein Vergesellschaftungsrahmengesetz wurde im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot festgehalten. Das Gesetz soll Grundlagen für Vergesellschaftungen in der Daseinsvorsorge festlegen. Das betrifft etwa die Bereiche Wasser, Energie sowie Wohnen.
 
Inwieweit das Gesetz tatsächlich dafür genutzt wird, ist offen. Die CDU lehnt die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen ab. Die genaue Ausgestaltung des Gesetzestexts könne zudem Jahre dauern, so Stettner. "Ob ein, zwei oder drei Jahre - das ist doch schnuppe." Es gehe nicht darum "schnell zu agieren, sondern rechtssicher".

Grafik: Berlin Trend - Sonntagsfrage. (Quelle: rbb/infratest dimap)
CDU weiter stärkste Kraft - Linke legt von 6 auf 19 Prozent zu
Innerhalb von sechs Monaten hat die Linke in Berlin massiv an Beliebtheit zugelegt. Musste sie im November noch Umfrageverluste hinnehmen, steht nun allein die CDU vor ihr. Die Werte für Senat und Regierenden Bürgermeister bleiben hingegen schlecht.mehr

Kritik aus Opposition und Wirtschaft

Kritiker aus der Opposition oder von der Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" werfen dem Senat vor, das Thema zu verschleppen. Aus der Wirtschaft kommt ebenfalls Kritik.
 
"Die Beschlüsse der Koalition passen überhaupt nicht in die Zeit, bemängeln die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). UVB-Hauptgeschäftsführer Alexander Schirp sagte: "Wir brauchen nicht Staatseingriffe und Dirigismus, sondern Zurückhaltung des Staates und weniger Bürokratie".
 
Im Abgeordnetenhaus ist am 10. Juli die letzte Plenarsitzung vor der Sommerpause. Danach ist es nur noch rund ein Jahr bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl am 20. September 2026. Schwarz-Rot hat entsprechend nicht mehr viel Zeit, gemeinsame Gesetzesvorhaben anzuschieben, bevor der Wahlkampf beginnt.

Sendung: rbb24 Abendschau, 22.06.2025, 19:30 Uhr