
Brandenburg 80 Jahre Kriegsende: Landkreis und Stadt erinnern an Schlacht auf den Seelower Höhen
Zehntausende Menschen starben bei der Schlacht auf den Seelower Höhen vor 80 Jahren - bei einem stillen Gedenken wurde an die Opfer erinnert. Daran hat auch der russische Botschafter teilgenommen - was eine kontroverse Diskussion ausgelöst hatte.
- 800 Menschen gedenken Kriegsopfern
- neben Vertretern der brandenburgischen Politik auch Diplomaten aus Russland und Belarus in Seelow
- Botschafter erhält viel Zustimmung von Anhängern
- Auswärtiges Amt hatte im Voraus vor Instrumentalisierung gewarnt
- Politiker aus dem Oderland bezeichnen Handreichung aus "Quatsch" und "absurd"
- Zehntausende vor 80 Jahren bei Seelow gefallen
Zum Jahrestag der Schlacht um die Seelower Höhen vor 80 Jahren ist am Mittwoch an die Zehntausenden Gefallenen erinnert worden. An dem stillen Gedenken von Kreis und der Stadt am Ehrenmal in Seelow (Märkisch-Oderland) nahmen nach rbb-Informationen rund 800 Menschen teil.
Darunter waren auch der russische Botschafter Sergej Netschajew, und Vertreter der Landes- und Kommunalpolitik sowie anderer Gruppierungen. Sie alle wurden von Vize-Landrat Friedemann Hanke (CDU) willkommen geheißen und legten Kränze und Blumensträuße nieder.

Erst stilles Gedenken, dann Autogramme des russischen Botschafters
Botschafter Netschajew, aber auch weitere Diplomanten und Militärs aus Russland, Belarus, Polen sowie anderen Ländern verneigten sich nach der stillen Andacht vor den zuvor abgelegten Kränzen am Fuße der Soldaten-Skulptur. Ansprachen wurden nicht gehalten.
Als Botschafter Netschajew anschließend die Treppe vom Monument herunterkam, wurde es hingegen lauter, als er das Bad in der Menge suchte. Einige der dort Anwesenden trugen neben Fahnen mit weißen Tauben auch Flaggen mit Hammer und Sichel. Vereinzelt waren auch T-Shirts mit Nazi- und Wehrmachtssymbolen zu sehen. Eine Gruppe älterer Menschen sang Lieder zu Ehren der Oktoberrevolution. Der russische Botschafter gab Autogramme und schüttelte Hände. Ein Mann reichte ihm als Zeichen der Gastfreundschaft Brot und Salz und sagte "die Freundschaft, die bleibt". Daraufhin bedankte sich der Botschafter.
Hanke reagierte befremdet auf die Bekundungen. "Das hat ja schon fast etwas von Heiligen-Verehrung. Grundsätzlich ist es so, dass es ein Anlass ist, der bestimmte Kreise auch anzieht. Zweitens haben wir als Landkreis auch eine enge Verbindung mit der Botschaft und auch Herrn Netschajew über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte." Grund dafür sei die Kooperation bei der Pflege und Umbettung von Kriegstoten und deren Gräbern. "Daraus begründet sich eine enge Zusammenarbeit mit der russischen Botschaft, sodass Herr Netschajew für uns auch eine vertraute Person ist", so Hanke weiter.
"Das geht ein bisschen am Thema vorbei"
Nach den Kranzniederlegungen wurden zwei Tafeln mit Namen gefallener Rotarmisten eingeweiht. Im Zuge dessen zeigte sich Joachim Kotzlowski, Umbetter vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, irritiert über all die Fahnen und Gesänge. "Das geht ein bisschen am Thema vorbei. Wir gedenken hier der Kriegstoten, der Toten, die vor 80 Jahren bei der Stürmung der Seelower Höhen ihr Leben gelassen haben. Nicht mehr und nicht weniger."

Bühne für Propaganda?
Auf die Frage eines Journalisten zur Ukraine machte Netschajew deutlich, dass er auch noch andere Botschaften im Gepäck hatte. "Wir kämpfen nicht gegen das ukrainische Volk. Das ist unser Brudervolk. Aber das neonazistische Regime können wir nicht dulden. Das steckt bei uns in den Adern", so der russische Botschafter.
Der ukrainische Botschafter Oliksei Makeiev hatte bereits zuvor angekündigt, der Veranstaltung fernzubleiben. Makeiev kritisierte die Teilnahme Netschajews und dessen Auftritt scharf. Der russische Landesvertreter habe das Sankt-Georgs-Band getragen, also ein russisches Militärabzeichen. Das sei "eine klare Verhöhnung der Opfer von vor 80 Jahren und der Opfer von heute", sagte Makeiev.
Vize-Landrat: Russischen Botschafter nicht ausschließen
Bereits vor dem Gedenken war vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine eine Debatte mit eine politischer Brisanz entbrannt. So hatte das Auswärtige Amt ebenfalls vor einer Vereinnahmung von Gedenkveranstaltungen durch russische und belarussische Vertreter gewarnt und Ländern, Landkreisen sowie Kommunen die Möglichkeit erläutert, russische Vertreter von Gedenkveranstaltungen zum Kriegsende auszuschließen.
Vize-Landrat Hanke bezeichnete diese Option im Vorfeld als "Quatsch". Man könne nicht den höchsten Vertreter eines Landes von einem Gedenken an die eigenen Landsleute ausschließen, sagte er. Man wolle hier keine politische Bühne bieten oder eine Vereinnahmung dieser Schlacht zulassen. Russland werde in Deutschland mehrheitlich als Feind angesehen, dabei gehe es bei diesem Gedenken nicht um Nationen.

Schönbrunn (SPD): Unsinnig, den russischen Botschafter auszuladen
"Krieg heißt Vernichtung, Tod und Chaos - unabhängig von Nationalität", betonte Hanke. Man habe bei dieser Schlacht die Zukunft von Tausenden teils jungen Männern zerstört. Es gehe um die Erinnerung an diese Menschen. Die Reste dieser zerstörten Zukunft lägen als Überreste der Menschen teilweise noch immer unter der Erde.
Sina Schönbrunn, Seelowerin und SPD-Abgeordnete im Brandenburger Landtag für den Landkreis Märkisch-Oderland, sagte im rbb24 Inforadio, sie finde es "recht absurd", so ein Schreiben herauszugeben, auch wenn sie die Sorge des Auswärtigen Amtes verstehen könne. Es sei unsinnig, den höchsten Vertreter eines Landes, also den russischen Botschafter, auszuladen, der seiner Landsleute gedenken wolle. Sie geht davon aus, dass es keine Instrumentalisierung des Gedenkens geben werde.
"Es ist ein diplomatisch - sagen wir es mal vorsichtig - nicht sehr freundlicher Akt gegenüber den Nachfahren der Menschen, die hier begraben liegen", sagte BSW-Landtagsfraktionschef Niels-Olaf Lüders. "Ihnen untersagen zu wollen, an die Gräber ihrer Vorfahren zu gehen,
finde ich absolut unakzeptabel." Die Empfehlung sei "ziemlich geschichtsvergessen und unangemessen".
Zehntausende Soldaten starben auf den Seelower Höhen
Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev wirft Russland vor, die Geschichte seit Langem zu instrumentalisieren. Russland präsentiere sich als einziges Opfer und einzigen Sieger über den Nationalsozialismus und unterschlage die mehr als acht Millionen ukrainischen Opfer, sagte er dem rbb.
In der Roten Armee kämpften neben Russen und Ukrainern auch belarussische Soldaten sowie Angehörige von kaukasischen, zentralasiatischen und baltischen Völkern. Am 16. April 1945 begann auf den Seelower Höhen die Schlacht zwischen rund einer Million Soldaten der Roten Armee und etwa 120.000 Wehrmachtssoldaten. Zehntausende Menschen ließen auf den Höhen ihr Leben. "Die Schätzungen besagen, dass bei der Schlacht um die Seelower Höhen 33.000 Angehörige der Roten Armee, 16.000 von der Wehrmacht und 2.000 Polen starben", teilte eine Sprecherin des Landkreises mit. Mit dem Ende der Schlacht am 20. April war für die Rote Armee der Weg in Richtung Berlin frei.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 16.04.2025, 19:30 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 16.04.2024 um 09:05 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.