Infotafeln stehen in einer Freiluftausstellung auf dem Gelände der Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald. (Quelle: dpa/Monika Skolimowska)

Brandenburg 80. Jahrestag der Befreiung: KZ-Sachsenhausen - Am Übergang von Zeitgeschichte zu Geschichte

Stand: 21.04.2025 13:02 Uhr

Die Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen jährt sich am Montag zum 80. Mal. Zur Gedenkfeier können nur noch wenige Zeitzeugen kommen. Die Gedenkstätte steht vor Herausforderungen.

Etwa 3.000 Menschen waren noch immer im Konzentrationslager Sachsenhausen gefangen, als es am 22. April 1945 von der sowjetischen und polnischen Armee befreit wurde. Einen Tag zuvor hatten die Nazis mehr als 30.000 auf die sogenannten Todesmärsche nach Nordwesten geschickt, bei denen Tausende ums Leben kamen.
 
Diese Menschen waren die letzten von ungefähr 200.000, die hier im Konzentrationslager in Oranienburg (Oberhavel) zwischen 1936 und 1945 von den Nationalsozialisten inhaftiert wurden. Zehntausende kamen in den neun Jahren um - durch Hunger, Zwangsarbeit, medizinische Versuche, Misshandlungen und Krankheiten. Viele wurden Opfer systematischer Vernichtungsaktionen. Auch nachdem die sowjetischen und polnischen Soldaten das Lager im April 1945 befreit hatten, starben noch 300 Menschen an den Folgen ihrer KZ-Haft.

Personen gehen in der Gedenkstätte Sachsenhausen über das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers (Quelle: DPA/Fabian Sommer)
Erinnern ohne Zeitzeugen
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Nur noch sechs Zeitzeugen haben sich angekündigt

Seit 1961 ist das ehemalige KZ eine Gedenkstätte. Zum Jahrestag der Befreiung wird jährlich eine Gedenkveranstaltung veranstaltet. Doch die Zeitzeugen, die vom Grauen der Nazis berichten können, werden immer weniger.
 
In diesem Jahr, zum 80. Jahrestag werden noch sechs Überlebende erwartet, 30 waren eingeladen. Vor zehn Jahre kamen noch um die 100. Die Zeitzeugen sind zwischen 89 und 100 Jahre alt und kommen aus Israel, Polen und der Ukraine. Das Alter und die weite Anreise verhinderten bei einigen die Teilnahme.
 
"Ich hoffe, dass jetzt noch einmal – vielleicht ein letztes Mal - auf die Überlebenden gehört wird", sagte die Vorsitzende des Fördervereins der Gedenkstätte, Katrin Grüber im Vorfeld der diesjährigen Gedenkveranstaltung dem rbb. In Zukunft wird es auch auf die Enkel der Überlebenden ankommen Katrin Grüber selbst ist die Enkelin eines Überlebenden des KZ-Sachsenhausen, des evangelische Bischofs Probst Heinrich Grüber.

Herausforderung für Gedenkstätten

Zeitzeugen sind enorm wichtig für die Erinnerungskultur. Ihr zunehmendes Fehlen betrifft nicht nur die Gedenkstätte in Oranienburg. Längst nicht alle der hier inhaftierten haben Nachfahren. Und die, die es gibt wollen vielleicht nicht öffentlich darüber sprechen. Die Leiterin der Gedenkstätte, Astrid Ley, sagte der Nachrichtenagentur epd: "Wir befinden uns an einem Übergang von Zeitgeschichte zu Geschichte." Wenn es keine persönlichen Bezüge mehr gebe, erzeuge das bei jungen Menschen das Gefühl, diese Zeit sei lange her. Die Gedenkstätte müsse es deshalb umso mehr schaffen, zu zeigen, wohin Ausgrenzung führen könne.
 
Es gibt deshalb beispielsweise den Vorschlag, den Besuch in einer KZ-Gedenkstätte zur Pflicht für Schülerinnen und Schüler in Deutschland zu machen. In Berlin und Brandenburg gibt es die - wie in den meisten Bundesländern - bislang nicht.
 
Alexander Tönnies (SPD), der Landrat des Landkreises Oberhavel, in dem die Gedenkstätte Sachsenhausen liegt, betonte gegenüber Antenne Brandenburg, wie wichtig das Gedenken sei. Damit würden auch viele Jugendliche angesprochen und erreicht - das zumindest sei das Feedback was er bekomme.

Archivbild: Mahn- und Gedenkstaette auf dem Gelaende des ehemaligen faschistischen Konzentrationslagers Sachsenhausen. (Quelle: dpa/Heinrich)
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Politische Entwicklungen gefährden Erinnerungskultur

Die Leitung der Gedenkstätte Sachsenhausen sieht sich aber auch den Bedrohungen der Realität ausgesetzt: In Oranienburg, also der Stadt, in der die Gedenkstätte liegt, wählte über 30 Prozent der Menschen bei der Bundestagswahl die als rechtsrextremer Verdachtsfall geltende Alternative für Deutschland. "Das macht mich fassungslos, betroffen, zornig", sagt Katrin Grübe dem epd. In diesem Jahr sollen keine AfD-Politiker zur Gedenkveranstaltung eingeladen werden.
 
Und auch Antisemitismus bleibt ein Problem: Wie die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten unlängst mitteilte, habe es zuletzt sogar eine Zunahme antisemitischer Hassbotschaften in der Gedenkstätte Sachsenhausen gegeben - unter anderem in Gästebüchern.

Zentrale Gedenkveranstaltung Anfang Mai

Das Interesse an der Geschichte ist aber auch noch da: Die Besucherzahlen bewegten sich zuletzt wieder in Richtung des Vor-Corona-Niveaus von 700.000 Menschen im Jahr, teilte die Gedenkstätte im April mit. Jährlich gebe es rund 500 Workshops und Tagesseminare. In diesem Jahr findet die zentrale Gedenkveranstaltung am 4. Mai statt, bis dahin finden aber weitere Angebote statt, wie besondere Führungen und Zeitzeugengespräche.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.04.2025, 06:00 Uhr