
100 Tage US-Präsident Trump Ernüchterung im Mittleren Westen?
Donald Trump ist 100 Tage im Amt. In Kansas und Missouri haben viele für den Republikaner gestimmt. Doch gerade dort spürt man die Folgen von Trumps Wirtschaftspolitik. Wie bewerten die Menschen inzwischen seine Politik?
Ein Donnerstagnachmittag im April, mitten in Kansas City im Bundesstaat Missouri: Eine kleine Gruppe am Straßenrand demonstriert gegen US-Präsident Donald Trump und seinen Berater Elon Musk. Vorbeifahrende Autos hupen als Zeichen der Zustimmung, manche Autofahrer zeigen den Demonstranten am Straßenrand aber auch verachtend den Mittelfinger.
"Wir haben sehr viele Bundesangestellte in Kansas City, und viele haben ihren Job verloren", sagt Elizabeth Duke, die jeden Donnerstag den Protest organisiert. Ihr geht es nicht nur um die Entlassungen durch Elon Musks DOGE-Behörde, sondern auch um drohende Kürzungen im Sozialbereich. Allein in diesem Wahlkreis seien mehr als 159.000 Menschen von Medicaid abhängig, der Krankenversicherung für Bedürftige - "vor allem Kinder und Ältere", sagt sie.
"Mein Mann ist beim Militär, seit langer Zeit", sagt Andrea Bauer, die ein kleines Schild mit dem Aufruf "Resist" hochhält - "Leistet Widerstand". Als von Musk die E-Mail an alle Bundesbediensteten mit der Frage kam, was sie zuletzt geleistet hätten, habe ihr Mann nur gelacht und gesagt: Das kann ich Dir nicht sagen, Elon, weil Du keine Freigabe für Geheimdienstinformationen hast. "Mein Mann ist jetzt krank. Wenn sie seine Veteranen-Rente kürzen, sind wir geliefert", fürchtet Bauer.
Angst vor der Autokratie
"All diese Sprüche wie 'America first' sind für Trump nur ein Machtinstrument", meint Jim Kindell, ein pensionierter Lehrer, der ebenfalls demonstriert. "Es gibt Gesetze und Regeln, die man achten muss. Wir wollen, dass die Gerichte entscheiden, was richtig und falsch ist, nicht allein der Präsident." Der Kongress als Gesetzgeber habe zurzeit kein Rückgrat.
Für Paula Fulkerson, eine Krankenschwester, steuern die USA in Richtung Diktatur. "Ich mache mir wirklich Sorgen, dass wir unsere Demokratie verlieren. Ich habe große Angst davor", sagt sie. Man müsse Trump ernst nehmen, wenn er sich selbst einen König nenne und sage, vielleicht bräuchten die Leute nie mehr wählen zu gehen. Trump nehme vielen die Bürgerrechte weg, streiche Regierungsjobs, ohne den Kongress zu fragen, deportiere Migranten ohne rechtliche Prüfung. "Das ist etwas, was ein Faschist tut, in einem autokratischen Land", meint Fulkerson. "Das tut man nicht in Amerika."
Verlust von Zehntausenden Jobs
Im Rathaus, nicht weit von der Demonstration entfernt, hat Stadtrat Eric Bunch sein Büro. Er ist parteiunabhängig, steht aber den Demokraten nahe. Kansas City gehöre zu den Städten mit dem höchsten Anteil an Bundesbediensteten in den USA, betont er. Mehr als 30.000 Regierungsjobs gebe es hier bisher, allein 6.000 bei der Steuerbehörde IRS.
"An jedem staatlichen Job hängen mehrere weitere Jobs in der Privatwirtschaft", sagt Bunch und rechnet vor: Wenn Musks DOGE-Behörde wie angekündigt 20 Prozent der Staatsjobs streiche, gingen in der Region Kansas City insgesamt mehr als 14.000 Arbeitsplätze verloren. "Und wenn im Bundeshaushalt Sozialleistungen gekürzt werden, muss die Stadt noch mehr Bedürftige versorgen", so der Stadtrat.
Zwei Tage später, am Samstag, finden USA-weite Proteste statt, organisiert von verschiedenen Organisationen und Bürgerrechtsgruppen, auch in Topeka im Bundesstaat Kansas. Von hier aus hat Christy Davis die letzten vier Jahre die Fördermittel des Bundeslandwirtschaftsministeriums für ganz Kansas koordiniert. Sie wurde entlassen.
"Ich bin arbeitslos zurzeit", sagt sie und lacht bitter. "Und das Ministerium hat viele der besten jungen Mitarbeiter verloren." Das Angebot der Musk-Behörde an Bundesbedienstete, freiwillig zu kündigen und bis September weiter bezahlt zu werden, hätten vor allem gut ausgebildete junge Leute wahrgenommen, die in der Privatwirtschaft problemlos einen neuen Job finden. Ingenieure zum Beispiel, sagt Davis. Und sie betont: "Mit den gekündigten Mitarbeitern gehen auch Leistungen verloren."
Angst um Krankenhäuser, Schulen, Infrastruktur
Den meisten Leuten im ländlichen Kansas sei nicht bewusst, woher das Geld kommt, für ihre Straßen, für ihre Krankenhäuser, ihre Wasserleitungen. "Sehr viel kommt aus Bundesmitteln. Und vieles davon will die Trump-Regierung kürzen", so Davis. Wenn die Regierung im Gesundheitsbereich, bei Medicaid kürze, würden Krankenhäuser schließen. Wenn sie im Bildungsbereich kürze, werde es die öffentlichen Schulen treffen - "das Herzstück vieler Ortschaften".
"Die Leute in Kansas sind traditionell sehr loyal gegenüber der republikanischen Partei", sagt Davis. Sie kommt selbst aus einer solchen Familie. "Aber die Partei war hier früher nicht die MAGA-Partei Donald Trumps, sie war eher progressiv, stand für sozialen Wandel, Reform, Hilfe für Andere", so Davis. "Das ist Teil unserer Geschichte."
"Weniger rote MAGA-Kappen"
Und heute? Beginnen auch Republikaner zu zweifeln, ob Trump hält, was er versprochen hat? Davis meint: "Wir haben von Präsident Trump gehört, dass am ersten Tag die Preise runtergehen werden. Das ist nicht passiert. Ich denke, dass das Vertrauen in die jetzige Regierung auch in ländlichen Gebieten zu erodieren beginnt. Ich sehe weniger rote MAGA-Kappen mit der Aufschrift 'Make America Great Again'. Ich komme viel herum in Kansas und lebe selbst in einem Ort mit 900 Einwohnern - ich weiß, was dort Sache ist."
Allerdings: Republikaner zu finden, die offen zugeben, ich habe Trump gewählt und habe mich getäuscht, bleibt schwer. Warum? "Die Ortschaften hier sind sehr klein", sagt Davis zur Erklärung. "Wenn Du dort offen gegen einen Präsidenten aufstehst, den die meisten unterstützen, hat das Folgen - beruflich, für Dein Geschäft, für Deine Kinder, wie sie in der Schule behandelt werden. Wirklich, das hat Folgen."
Einnahmen brechen weg - mehr Protest als in 20 Jahren
Erwacht im republikanischen Kernland im Mittleren Westen der USA langsam Widerstand? Dreht sich die Stimmung gegen Trump? Sherman Smith ist Chefredakteur des Kansas Reflector - ein unabhängiger Online-Dienst, in vielen Regionen die wichtigste seriöse Informationsquelle, seit die Lokalzeitungen dort verschwunden sind.
"Ich denke, dies ist ein seltener politischer Moment. Viele Leute sind interessierter an Politik als je zuvor", meint Smith. "Die Wähler in Kansas haben Donald Trump mit überwältigender Mehrheit gewählt. Gleichzeitig sind viele besonders stark von seinen Entscheidungen betroffen."
Das gelte auch für viele Landwirte in Kansas, die bisher in Entwicklungsländer exportiert hätten. Mit dem Ende der Entwicklungshilfebehörde USAID breche ihnen der wichtigste Exportmarkt weg, betont Smith. "Ich erlebe mehr Protest, als ich in gut 20 Jahren Journalismus hier bisher erlebt habe - gegen DOGE, gegen die Zölle. Vieles wird als sehr chaotisch wahrgenommen."
Und was wird das am Ende bewirken? "Im Moment ist öffentlicher Protest der einzige Weg, zu widersprechen", sagt Smith. "Die Gerichte agieren sehr langsam. Die republikanische Partei wird weiter von Trumps MAGA-Bewegung dominiert." Aber es gebe in Kansas einen starken traditionellen Parteiflügel, betont er. "Das bleibt ein spannender Kampf zwischen moderaten und ultra-konservativen Republikanern."
"Am Ende wird sich auch Trump dem Urteil der Wählerinnen und Wähler stellen müssen", prophezeit Smith. Noch halt das demokratische System. Denn noch seien die nächsten Wahlen nicht gefährdet.