
Debatte um 15 Euro Mindestlohn Gesamtmetall warnt, Wirtschaftsforscher werben
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall warnt vor den Folgen einer politisch festgelegten Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde. DIW-Präsident Fratzscher und auch andere Wirtschaftsforscher sind dafür.
Die Debatte um eine mögliche Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde nimmt weiter Fahrt auf - und sorgt für deutliche Spannungen zwischen Arbeitgeberverbänden, Wirtschaftsforschern und der Politik. Während der Arbeitgeberverband Gesamtmetall vor schweren wirtschaftlichen Schäden warnt, ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) von den Vorteilen eines Mindestlohns in Höhe von 15 Euro überzeugt.
Gesamtmetall fürchtet "schwere wirtschaftliche Schäden"
"Eine politisch erzwungene Anhebung auf 15 Euro würde einen Anstieg in nur zehn Jahren von über 76 Prozent bedeuten. Damit können die Tariflöhne nicht Schritt halten", sagte Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall, der Bild. Der Mindestlohn sei seit seiner Einführung 2015 bereits um über 50 Prozent gestiegen - die Tariflöhne jedoch nur um 29 Prozent.
Zander warnte, ein Mindestlohn von 15 Euro würde "in der längsten Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik schwere wirtschaftliche Schäden anrichten". Die Folge seien massiv steigende Preise etwa beim Friseur, Bäcker oder in der Kneipe. Zudem seien mehr Geschäftsaufgaben insbesondere im Osten Deutschlands und ein Anstieg von Schwarzarbeit laut seiner Einschätzung zu befürchten.
DIW: Höhere Produktivität durch höheren Mindestlohn
Ganz anders bewertet der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) die Lage. Marcel Fratzscher sagte der Rheinischen Post, ein höherer Mindestlohn könne gesamtwirtschaftlich sogar positive Effekte entfalten. Mehr Lohn bedeute mehr Konsum und stärke so das Wirtschaftswachstum.
Zudem führe ein deutlich höherer Mindestlohn zu einer Verschiebung der Beschäftigung hin zu produktiveren Unternehmen, also solchen Firmen, die einen höheren Mindestlohn überhaupt zahlen können. Das bringe zwar jenen, die das nicht können, wirtschaftliche Nachteile. "Für die gesamte Wirtschaft erhöht die Verschiebung jedoch die Effizienz und die Produktivität", betonte der DIW-Chef.
CDU/CSU gegen "politischen Mindestlohn"
Auch politisch ist der 15-Euro-Mindestlohn umstritten. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hatte kürzlich angedeutet, notfalls auch gesetzlich auf 15 Euro erhöhen zu wollen, sollte die Mindestlohnkommission nicht entsprechend handeln. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann warnte daraufhin vor einem "politischen Mindestlohn", und Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei verwies auf die im Koalitionsvertrag festgelegte Rolle der Mindestlohnkommission.
Diese Kommission, besetzt mit Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften, soll unabhängig agieren. Ihre Empfehlung soll sich sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. "Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar", heißt es im Koalitionsvertrag.
NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) mahnte derweil das Gremium zu mehr Verantwortung: Die Kommission müsse "faire Empfehlungen" aussprechen, die die Inflation und Lebensrealität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick behalten. Zuletzt war die Kommission intern in die Kritik geraten - die Anhebung 2023 wurde nicht einvernehmlich beschlossen, Arbeitnehmervertreter fühlten sich übergangen und überstimmt.
Deutschland hat beim Mindestlohn Nachholbedarf
Bis Ende Juni 2025 muss die Mindestlohnkommission nun entscheiden, wie hoch der deutsche Mindestlohn in den kommenden zwei Jahren sein soll. In einer Stellungnahme für die Mindestlohnkommission hatten die Forscher des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung herausgearbeitet, dass Deutschland in der Vergangenheit den international üblichen Referenzwert von 60 Prozent des Medianlohns, der auch in der Europäischen Mindestlohnrichtlinie verankert ist, regelmäßig unterschritten hatte.
Die kommende Erhöhung dürfte damit stärker ausfallen, als dies der Fall wäre, wenn die Kommission sich wie in der Vergangenheit nur an der Tarifentwicklung der vergangenen zwei Jahre orientieren würde, erwarten die Fachleute von WSI und IMK.